Schlepper-Prozess in Wiener Neustadt fortgesetzt

Der seit März laufende Schlepper-Prozess in Wiener Neustadt ist am Montag fortgesetzt worden. Am Mittwoch sollen die Angeklagten ergänzend befragt werden.

Der seit März laufende Schlepper-Prozess in Wiener Neustadt ist am Montag fortgesetzt worden. Das Verfahren gegen acht zentralasiatische Asylwerber, darunter ehemalige Asyl-Aktivisten und Servitenkloster-Flüchtlinge, ist vorerst (mit elf weiteren Verhandlungsterminen) bis 1. Oktober anberaumt. Am Mittwoch sollen die Angeklagten ergänzend befragt werden.

Am Tag 20 ist heute dort weitergemacht worden, wo man schon am letzten Verhandlungstag im Juli "gelandet" war, nämlich wieder bei der Einvernahme von Zeugen, die Landsleuten der Angeklagten Mitfahrgelegenheiten geboten haben sollen. Gebracht hat die Einvernahme der Autofahrer nicht viel. Denn die beiden Zeugen hatten letztendlich niemand auf ihren Fahrten nach Deutschland mitgenommen - der eine deshalb, weil ihm die Sache "komisch" vorgekommen sei, wie er im Zeugenstand erklärte. Der zweite meinte, über eine Internetplattform und dann mittels Telefon sei zwar Kontakt aufgenommen worden, danach habe sich die Mitfahrgelegenheit aber zerschlagen.

Anwalt: "50 Prozent reine Indizien"

Als "nicht nachvollziehbar und reine Makulatur" bezeichnete einer der Verteidiger, Gerhard Angeler, die Modifikation der Anklage, die die Staatsanwältin in der Sommerpause vorgenommen hatte. Die Änderungen bestanden zum Teil aus bloßen Unformulierungen, beziehungsweise wurden Anklagepunkte wegen sogenannter Identitäten von Sachverhalten fallen gelassen, andererseits von anderen Vorwürfen subsumiert. "Das zeigt nur, dass die Staatsanwaltschaft in Wirklichkeit gar nicht weiß, wer welche Personen geschleppt hat. Das ist alles entbehrlich und verzögert nur das Verfahren", mokierte sich der Rechtsanwalt. "50 Prozent der Anklage sind reine Indizien", so Angeler gegenüber der APA.

Mehr als eine Stunde wurde ein Polizist, der in dem Schlepperei-Verfahren einen Flip-Chart bezüglich der abgehörten Telefonate der Angeklagten elektronisch erstellt hatte, mit Fragen der Verteidiger "bombardiert". Zur Sache selber brachte dies jedoch nichts.

Telefonüberwachung: Was wird vorgelesen?

Nach der Mittagspause stellte die Richterin, wie sie sagte, die "Gretchenfrage" des Prozesses. Soll jeder der 12.000 Telefonmitschnitte, die ja die Grundlage der Anklage bilden, wortwörtlich vorgelesen oder zusammengefasst erörtert werden? Die Mehrheit der Verteidiger entschied sich für den goldenen Mittelweg: Entscheidungsrelevante und offenbar mangelhaft übersetzte Telefonüberwachungen werden wortwörtlich vorgelesen.

Kritik am Verfahren kam von der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH): Die heutige Weiterführung des "Fluchthilfeprozesses" zeige erneut auf, "wie menschenfeindlich die österreichische Asylpolitik ist". In dem Verfahren würden Menschen kriminalisiert, die anderen Menschen in ausweglosen Situationen geholfen hätten. "So reichte es etwa schon, einer flüchtenden Person für eine Nacht ein Dach über dem Kopf zur Verfügung zu stellen oder ihr einen Anruf zu ermöglichen, um der Schlepperei angeklagt zu werden", forderte Bernhard Lahner vom ÖH-Vorsitzteam eine sozialere und menschenfreundlichere Gesetzgebung.

Viele Menschen, die nach Österreich flüchten, würden in ihren Heimatländern verfolgt, da sie politisch andere Meinungen vertreten. Darunter seien auch zahlreiche Studierende. "Wir sollten diesen Menschen ermöglichen, ihr Studium abzuschließen, und sie dabei unterstützen", so Lahner.

(Schluss) was/fra/gu

(APA)

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