Bildungsreform: ÖVP-Widerstand gegen Salcher

 Andreas Salcher
Andreas Salcher(c) Clemens Fabry
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Dass sich ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner in puncto Schule von Buchautor und Schulsystemkritiker Andreas Salcher beraten lässt, sehen viele als Affront.

Wien. Es ist nicht gerade das, was man einen gelungenen Start in den Reformprozess nennen kann. Im Gegenteil: Dass sich ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner auf der Suche nach einer neuen Linie in der Bildungspolitik seiner Partei ausgerechnet den umstrittenen Autor und Schulsystemkritiker Andreas Salcher als Ideengeber geholt hat, sehen nicht wenige in der Partei als einen Affront.

Im schwarzen Arbeitnehmerbund ÖAAB dürfte es dieser Tage ziemlich brodeln. Vor allem die schwarzen Lehrergewerkschafter sind wütend. Und während der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger seinen Unmut gerade noch verbergen kann (er sei von Mitterlehner immerhin sofort nach dessen Wahl angerufen worden, siehe auch Interview unten), nimmt sich sein AHS-Pendant, Eckehard Quin, kein Blatt vor den Mund.

„Ich warte nun nur noch auf meine Einladung in die Reformgruppe zur neuen Gewerbeordnung. Da habe ich sicher ebenso viel Erfahrung wie Andreas Salcher im Schulbereich“, kommentiert Quin äußert ironisch. Salcher sei für ihn nur einer der „sieben Millionen Fußball- und Bildungsexperten des Landes“, ätzt der Gewerkschafter. Zufällig eben einer, der seine Bücher („Der talentierte Schüler und seine Feinde“, „Nie mehr Schule – Immer mehr Freude“) gut verkaufen könne. Bücher, in denen er „nicht nur das System, sondern auch die darin arbeitenden Personen schlechtgemacht“ habe.

Rotes Tuch für die Lehrer

Dass Andreas Salcher für die Gewerkschafter ein rotes Tuch ist, kommt nicht überraschend: „Man muss einmal sagen: Es findet kein Lehrerbashing statt, sondern vielmehr ein Lehrergewerkschaftsbashing. Und das völlig zu Recht“, sagte er einst in der „Presse“. „Das Bild, das die AHS-Gewerkschafter vertreten, ist das von einem Lehrer, der 18 Stunden pro Woche sein Wissen vermittelt, noch ein bisschen korrigiert – und dann ist seine Pflicht vorbei. Jeder Schüler, der dabei nicht mitkommt, hat Pech gehabt.“

Der Gewerkschafter Quin gibt schon einmal einen Warnschuss in Richtung von ÖVP-Chef Mitterlehner ab: Ausgerechnet Andreas Salcher ins Boot zu holen, zeuge nicht gerade von Wertschätzung gegenüber der Lehrerschaft.

Auch, wenn er die Lehrer vor den Kopf gestoßen hat – vielleicht gelingt Mitterlehner gerade damit ein Zeichen für Aufbruch. Nicht zuletzt war es Salcher selbst, der konstatierte, dass die Bildungspolitik der Volkspartei sich lang ausschließlich an der AHS-Lehrergewerkschaft orientiert habe (jener also, die sich nun am lautesten zu Wort meldet).

Salcher selbst kommt aus der ÖVP, war in den 1990er-Jahren sogar einige Jahre lang Vizechef der Wiener Volkspartei. Der studierte Betriebswirt und Mitbegründer der Wiener Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte gilt als Querdenker. Seine Forderungen dürften in der Volkspartei trotzdem relativ mehrheitsfähig sein. So will er mehr Schulautonomie, Direktoren sollten ihre Lehrer aussuchen dürfen. In Kindergärten und Volksschulen sollte mehr Geld gesteckt werden. Die Ganztagsschule gehöre ausgebaut. Und die Frage nach der Gesamtschule habe – auch, wenn er kein Gegner dieser Schulform sei – keine Priorität, sagte er etwa im ORF.

Ob Mitterlehner wirklich plante, dass sein neuer Ideengeber seine Positionen tagelang lustvoll in allen Medien zum Besten gibt, ist fraglich. In der Partei wird sogar gemutmaßt, dass Mitterlehner seine Wahl womöglich schon bereut. Zumindest ahnen hätte er es müssen: Andreas Salcher ist tatsächlich einer, der sich gut zu verkaufen weiß.

„Sehe mich nicht als Experten“

Bücher über Bildungsthemen publiziert der ehemalige Schülerombudsmann des „Kurier“ gerne pünktlich zu Schulbeginn. Er formuliert gerne pointiert und hält mit Forderungen wie dem späteren Schulbeginn um neun Uhr statt um acht tagelang den Boulevard in Atem.

Kritisiert wird nicht nur Salchers provokanter Stil, sondern auch die Tatsache, dass er weder Pädagoge ist noch aus dem System kommt. Letzterem entgegnete Salcher einmal in der „Presse“: „Ich sehe mich selbst nicht als Bildungsexperten. Ich habe nur aufgehört, es zu dementieren.“ Er sei vielmehr ein „professioneller Bildungskritiker, der die Debatte erweitert hat, weg vom Dienstrecht und dem ideologisch verkrampften Gesamtschulstreit von SPÖ und ÖVP“.

ZUR PERSON

Andreas Salcher (53) ist ein nicht unumstrittener Bildungsexperte.

Er war selbst ÖVP-Politiker und unter anderem von 1992 bis 1996 auch Vizechef der Wiener Volkspartei.

Andreas Salcher ist Mitbegründer der Wiener Sir-Karl-Popper-Schule für Hochbegabte. Heute arbeitet er als Berater und Buchautor, immer wieder auch zu Bildungsthemen. Unter anderem: „Nie mehr Schule – Immer mehr Freude“ (Ecowin, 2012), „Der talentierte Schüler und seine Feinde“ (Ecowin, 2008).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2014)

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