Landwirtschaftsminister Rupprechter sieht nach seinem Besuch in Washington schwarz für das Freihandelsabkommen mit den USA. Der EU-Kommission wirft er mehrere Fehler vor.
Die Presse: Sie haben in Washington Darci Vetter getroffen, die für die USA das Freihandelsabkommen mit der EU im Bereich Landwirtschaft verhandelt. Treten Sie eigentlich für dieses Abkommen ein?
Andrä Rupprechter: Grundsätzlich wäre ein Freihandelsabkommen zwischen den größten Wirtschaftsregionen der Welt schon begrüßenswert. Aber nur, wenn ausgewogen ist.
Wäre denn ein Abkommen nach jetzigem Stand nicht ausgewogen?
Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist in mehrfacher Hinsicht unausgewogen. Das Zollangebot der USA für die Landwirtschaft etwa ist sicher nicht zufriedenstellend.
Dass Angebote nachgebessert werden, ist das Wesen von Verhandlungen.
Natürlich. Ich habe in Washington aber auch die kritischen Bereiche angesprochen. Es gibt das Recht zu regulieren. Wir in Europa regulieren die Lebensmittelsicherheit nach dem Vorsichtsprinzip. Wir bewerten auch das Risiko von genmanipulierten Organismen anders.
Aber die EU-Kommission hat doch ohnehin mehrmals versichert, dass sie die europäischen Standards durch das Abkommen nicht heruntersetzen wird.
Ja, aber das gilt es nun in einem möglichen Äquivalenzabkommen sicherzustellen.
Glauben Sie, dass die europäische Kommission dafür bisher zu wenig getan hat?
Die Kommission hat eine Reihe von Fehlern begangen, vor allem in der Kommunikation. Sie hat auch zu wenig erklärt, wo der Nutzen eines solchen Abkommens läge.
Und Sie? Die Bundesregierung hat doch die Vorteile auch nicht klar genug dargelegt. Durch die österreichische Debatte flatterten vor allem Chlorhühner.
Wir haben klar die roten Linien beschrieben, die berücksichtigt werden müssen. Und die unterschiedlichen Standards kommen unter anderem darin zum Ausdruck, dass die Chlorifizierung bei uns nicht zugelassen ist.
Ja, und deswegen müsste sich auch niemand fürchten vor den Chlorhühnern.
Wenn das in einem Abkommen berücksichtigt wird, nicht.
Aber das Regulationsrecht hat ja jede nationale Regierung unabhängig von einem Freihandelsabkommen.
Dieses Recht ist dem Verhandlungsmandat zugrunde gelegt. Aber die Amerikaner haben da schon andere Einschätzungen, wie es umgesetzt wird.
Gehören Sie zu jenen, denen die Verhandlungen nicht demokratisch genug sind?
Ich habe allen Ansprechpartnern in Washington gesagt, dass wir keine Geheimverhandlungen führen dürfen. Wir müssen transparenter und offener verhandeln. Es ist klar, dass Verhandlungen nicht vor Fernsehkameras stattfinden. Doch wenn es darum geht, Verhandlungsdokumente und Inhalte zu präsentierten, werden wir mit den jetzt angebotenen Leseräumen nicht das Auslangen finden.
Aber das Verhandlungsergebnis kann doch erst am Ende feststehen.
Es geht um Einbindung der Betroffenen, vor allem auch des EU-Parlaments. Wenn man will, dass das EU-Parlament am Ende zustimmt, muss man den Stil ändern.
Sollten die nationalen Parlamente zwingend über das Abkommen abstimmen?
Es ist klar, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt. Deswegen müssen es auch die nationalen Parlamente ratifizieren. Das hat der juristische Dienst des Rates ganz klar festgestellt. Es war ein Fehler von Kommissar Karel De Gucht zu versuchen, mit dem EuGH die Mitgliedstaaten außen vor zu lassen. Das ist einfach unsinnig.
Wollen Sie denn nicht vor allem auch billige Punkte mit der Verunsicherung der Bevölkerung sammeln?
Es geht genau darum, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Sie thematisieren die Bedenken, die auch wir haben. Ich will nicht, dass unsere Politik in der Frage der Genmanipulation durch ein Äquivalenzabkommen unterlaufen wird.
Kann das Freihandelsabkommen wie geplant über die Bühne gehen?
Ich bin nicht sehr optimistisch, dass das Freihandelsabkommen innerhalb der nächsten zwei Jahre zustande kommt.
Weswegen?
Ich glaube nicht, dass die jetzige Regierung Obama das TTIP-Abkommen durch den Kongress bringen kann. Das hat man uns im Farm-Büro bestätigt. Im Kongress gibt es großen Widerstand. Es ist auch nicht klar, ob Obama die Handelsvollmacht für den Abschluss des gesamten Abkommens bekommt, die ein Schnellverfahren mit sich brächte. Wenn aber der US-Kongress artikelweise abstimmt, ist das Abkommen von vornherein zum Scheitern verurteilt.
AUF EINEN BLICK
Freihandelsabkommen TTIP. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter traf diese Woche mit US-Außenminister John Kerry und der US-Chefverhandlerin für die Landwirtschaft, Darci Vetter, zusammen. Nach den Gesprächen zeigt er sich zur Zukunft von TTIP wenig optimistisch. [ BMLFUW ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)