Regierungsklausuren: Inszenierung nach dem Vorbild Bruno Kreisky

REGIERUNGSKLAUSUR IN SCHLADMING: SCHELLING/SCHMITT
REGIERUNGSKLAUSUR IN SCHLADMING: SCHELLING/SCHMITT(c) APA/ROBERT JAEGER
  • Drucken

Der mediale Verkauf steht im Mittelpunkt. Auch, wenn es nichts zu verkaufen gibt.

Wien. Das Rezept ist simpel: Man nehme einen malerischen Ort irgendwo in Österreich, möglichst mehr als zwei Stunden von Wien entfernt und karre die gesamte Regierung samt Entourage plus den innenpolitischen Tross dorthin. Das Ganze nennt sich Regierungsklausur und garantiert tagelange Aufmerksamkeit.

Schon möglich, dass die Regierung bei so einer Klausur auch arbeitet. Immerhin ziehen sich die Politiker immer wieder hinter verschlossene Türen zurück, während die Journalisten auf das nächste Statement warten, oder auf einen Minister, der von einem menschlichen Bedürfnis getrieben den Sitzungssaal verlässt und sich zu einer Wortspende hinreißen lässt.

Aber entscheidend ist wohl die Inszenierung. Arbeiten könnte man auch in Wien, ohne mediale Beobachtung. Es soll bei so einer Veranstaltung etwas verkauft werden. Das muss nicht unbedingt eine sachpolitische Einigung sein: Viel öfter geht es um Atmosphärisches. Nicht wenige Regierungsklausuren sollen – meist nach einem personellen Wechsel – zeigen, dass man sich in der Koalition wieder verträgt. Dass nicht mehr das Gegeneinander, sondern das Miteinander dominiert. Und dass die Regierung endlich, endlich wieder Reformwillen zeigt.

Die letzte Regierungsklausur in Waidhofen an der Ybbs war so ein Beispiel. Inhaltlich gab es eigentlich gar nichts zu verkaufen, denn erst wenige Wochen davor hatte man sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt. Was sollte es da schon wieder Neues geben? Kanzler Werner Faymann sprach damals aus, was man vermitteln wollte: dass es zwischen Streiten und Kuscheln noch etwas gibt, nämlich Arbeiten. Es gibt aber durchaus auch Klausuren, bei denen etwas, wenn nicht erarbeitet, dann zumindest verkündet wird. Sillian im Jahr 2009 war so ein Beispiel: Dort wurde ein Sanierungskonzept für die Krankenkassen vorgelegt, das noch heute hält.

2010 in Loipersdorf beschloss die Regierung Faymann/Pröll ein Sparpaket mit Einsparungen bei den Pensionen und bei der Familienbeihilfe. Ambitioniert war Faymann bei der Klausur am Semmering 2001: 92Projekte wurden vorgestellt. Einiges davon ist auch tatsächlich verwirklicht, manches nur teilweise, wie die Transparenzdatenbank, manches gar nicht, wie die Heeresreform.

Eingeführt hat die Tradition der Regierungsklausuren übrigens Bruno Kreisky. Der sozialistische Kanzler mit dem besonderen Gespür für mediale Wirkung hat seine Minister etliche Male zu Arbeitstreffen zusammengeholt. Meist ging es dabei um die Belebung der Konjunktur und des Arbeitsmarkts. Die Regierungsklausur im Jahr 1977 stellte Weichen in der Frauenpolitik: Kreisky präsentierte dort vier neue Staatssekretärinnen. Darunter auch Johanna Dohnal, die die Frauenpolitik in Österreich nachhaltig prägte.

Die Martin-Bartenstein-Show

Nicht immer geht das Konzept der Selbstbeweihräucherung auch auf: 2007 in Eisenstadt wollte die Regierung Gusenbauer/Molterer Einigkeit demonstrieren, konnte sich aber auf kein Projekt einigen. So wurde Polithaudegen Martin Bartenstein auserkoren, vor die Medien zu treten: Er tat es mit Bravour und erzählte irgendetwas Altbekanntes – und machte sich spätabends an der Bar darüber lustig, was er den Medien da so verkauft hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Roman Hebenstreit will nicht, dass die ÖBB zur ÖIAG wandert.
Politik

ÖBB zur ÖIAG? Bahnbetriebsrat gegen "Zerschlagung"

Bahngewerksachafter Hebenstreit droht mit Betriebsversammlungen. Finanzminister Schelling will weiter über die Verladung der Bahn unters Dach der Staatsholding diskutieren.
Innenpolitik

Schelling: "Die Reform kommt wohl in Etappen"

Konjunkturbedingt sei das Volumen für die Steuerreform wohl mit fünf Milliarden limitiert, sagt Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Innenpolitik

Gegenfinanzierung? Offen

Bei ihrer Klausur in Schladming fixierte die Regierung das Volumen und den Zeitplan für die Steuerreform.
REGIERUNGSKLAUSUR IN SCHLADMING: PK FAYMANN/MITTERLEHNER/FOGLAR
Politik

Regierungsklausur: Steuerentlastung soll fünf Milliarden betragen

Offen blieb in Schladming, wie man die Entlastung gegenfinanzieren will. Zudem gibt es offenbar noch keinen Konsens, was das in Krafttreten angeht.
LEITL
Österreich

SPÖ und ÖVP sichern sich Einfluss in der ÖIAG

Die Selbsterneuerung ist demnächst Geschichte: Die Mitglieder im Aufsichtsrat der Staatsholding werden künftig wieder von der Regierung bestellt. Es wird überlegt, auch den Verbund und die Asfinag der ÖIAG einzugliedern.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.