Der mediale Verkauf steht im Mittelpunkt. Auch, wenn es nichts zu verkaufen gibt.
Wien. Das Rezept ist simpel: Man nehme einen malerischen Ort irgendwo in Österreich, möglichst mehr als zwei Stunden von Wien entfernt und karre die gesamte Regierung samt Entourage plus den innenpolitischen Tross dorthin. Das Ganze nennt sich Regierungsklausur und garantiert tagelange Aufmerksamkeit.
Schon möglich, dass die Regierung bei so einer Klausur auch arbeitet. Immerhin ziehen sich die Politiker immer wieder hinter verschlossene Türen zurück, während die Journalisten auf das nächste Statement warten, oder auf einen Minister, der von einem menschlichen Bedürfnis getrieben den Sitzungssaal verlässt und sich zu einer Wortspende hinreißen lässt.
Aber entscheidend ist wohl die Inszenierung. Arbeiten könnte man auch in Wien, ohne mediale Beobachtung. Es soll bei so einer Veranstaltung etwas verkauft werden. Das muss nicht unbedingt eine sachpolitische Einigung sein: Viel öfter geht es um Atmosphärisches. Nicht wenige Regierungsklausuren sollen – meist nach einem personellen Wechsel – zeigen, dass man sich in der Koalition wieder verträgt. Dass nicht mehr das Gegeneinander, sondern das Miteinander dominiert. Und dass die Regierung endlich, endlich wieder Reformwillen zeigt.
Die letzte Regierungsklausur in Waidhofen an der Ybbs war so ein Beispiel. Inhaltlich gab es eigentlich gar nichts zu verkaufen, denn erst wenige Wochen davor hatte man sich auf ein Regierungsprogramm geeinigt. Was sollte es da schon wieder Neues geben? Kanzler Werner Faymann sprach damals aus, was man vermitteln wollte: dass es zwischen Streiten und Kuscheln noch etwas gibt, nämlich Arbeiten. Es gibt aber durchaus auch Klausuren, bei denen etwas, wenn nicht erarbeitet, dann zumindest verkündet wird. Sillian im Jahr 2009 war so ein Beispiel: Dort wurde ein Sanierungskonzept für die Krankenkassen vorgelegt, das noch heute hält.
2010 in Loipersdorf beschloss die Regierung Faymann/Pröll ein Sparpaket mit Einsparungen bei den Pensionen und bei der Familienbeihilfe. Ambitioniert war Faymann bei der Klausur am Semmering 2001: 92Projekte wurden vorgestellt. Einiges davon ist auch tatsächlich verwirklicht, manches nur teilweise, wie die Transparenzdatenbank, manches gar nicht, wie die Heeresreform.
Eingeführt hat die Tradition der Regierungsklausuren übrigens Bruno Kreisky. Der sozialistische Kanzler mit dem besonderen Gespür für mediale Wirkung hat seine Minister etliche Male zu Arbeitstreffen zusammengeholt. Meist ging es dabei um die Belebung der Konjunktur und des Arbeitsmarkts. Die Regierungsklausur im Jahr 1977 stellte Weichen in der Frauenpolitik: Kreisky präsentierte dort vier neue Staatssekretärinnen. Darunter auch Johanna Dohnal, die die Frauenpolitik in Österreich nachhaltig prägte.
Die Martin-Bartenstein-Show
Nicht immer geht das Konzept der Selbstbeweihräucherung auch auf: 2007 in Eisenstadt wollte die Regierung Gusenbauer/Molterer Einigkeit demonstrieren, konnte sich aber auf kein Projekt einigen. So wurde Polithaudegen Martin Bartenstein auserkoren, vor die Medien zu treten: Er tat es mit Bravour und erzählte irgendetwas Altbekanntes – und machte sich spätabends an der Bar darüber lustig, was er den Medien da so verkauft hatte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2014)