Schelling: "Die Reform kommt wohl in Etappen"

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Konjunkturbedingt sei das Volumen für die Steuerreform wohl mit fünf Milliarden limitiert, sagt Finanzminister Hans Jörg Schelling.

Das Volumen der Steuerentlastung soll mindestens fünf Milliarden Euro betragen – mit der Option auf mehr, wenn die Konjunktur dementsprechend ist. Wie groß ist denn der Spielraum nach oben?

Hans Jörg Schelling: Nach den heutigen Wirtschaftsdaten sind wir wahrscheinlich mit den fünf Milliarden limitiert. Wenn sich deutliche Veränderungen in der Konjunktur und im Budgetvollzug 2015 ergeben, kann man darüber diskutieren. Aber ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich.

Wenn die Reform, wie geplant, im März in der Regierung und im Juni im Parlament beschlossen wird, wann würde sie dann in Kraft treten?

Ich sage einmal vorsichtig: Es ist relativ wahrscheinlich, dass die Reform in Etappen kommt. Auf einmal werden wir es nur schwer schaffen, denn in diesem konjunkturellen und budgetären Umfeld ist das Vorhaben doch sehr ambitioniert.

Was kommt wann?

Wir müssen zwei Punkte berücksichtigen. Erstens haben wir ein vom Parlament beschlossenes Budget für 2015, in dem wir nicht einfach herumfuhrwerken können. Das gebietet der Respekt. Zweitens wäre es für die Betriebe sehr aufwendig, wenn sie während des Jahres ihre Lohnverrechnung umstellen müssten.

Was bedeutet das in Bezug auf die Steuerreform?

Das bedeutet, dass investitionsfördernde Maßnahmen – insbesondere für die kleine und mittelständische Wirtschaft – vorgezogen werden könnten. Aber die Lohn- und Einkommensteuerentlastung ist während des Jahres wahrscheinlich nicht sehr sinnvoll. Deshalb wird dieser Brocken wohl erst mit 1. Jänner 2016 kommen.

Das wäre Ihre bevorzugte Variante?

Ich habe das vorgeschlagen. Entscheiden werden wir das aber erst im März 2015. Theoretisch – obwohl ich nicht davon ausgehe – könnte es ja auch noch zu einer Verschlechterung der Konjunkturlage kommen. Dann wird man das auch noch einmal diskutieren müssen.

Könnte das Mindestvolumen von fünf Milliarden Euro konjunkturbedingt noch nach unten revidiert werden?

Ich habe nicht vor, unter die fünf Milliarden zu gehen.

Jedenfalls haben Sie vor, den Eingangssteuersatz von 36,5 „in Richtung 25 Prozent“ zu senken. Sollen es am Ende genau 25 sein? Oder doch ein bisschen mehr?

Es ist erstrebenswert, genau dorthin zu kommen. Man kann sich überlegen, ob auch dieses Ziel in Etappen erreicht werden soll. Fest steht vorläufig aber nur, dass ein Großteil des Entlastungsvolumens auf die Senkung des Eingangssteuersatzes entfallen wird.

Ausgehend von diesen 25 Prozent schlagen Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer in ihrem gemeinsamen Konzept sechs Steuertarife vor, der Arbeitnehmerbund der ÖVP wiederum hätte gern einen Gleittarif, also einen flexiblen Tarif, der parallel zum Lohn steigt. Was möchten Sie?

Ich habe derzeit noch kein bevorzugtes Modell, weil ich mich entschlossen habe, die parteipolitische Räson beiseitezulassen und alle Vorschläge erst einmal zu prüfen. Auch das gehört zum neuen Stil.

Aber man kann davon ausgehen, dass es mehr Steuertarife sein werden als die aktuellen drei, um nämlich die kalte Progression abzufedern.

Eine Taskforce im Finanzministerium, unter der Leitung meines Sektionschefs, rechnet alle Vorschläge durch und bewertet sie. Im März werden wir dann in der Regierung entscheiden, welche Ideen wir in ein Gesamtpaket aufnehmen. Daher wäre es völlig verfrüht, eine Präferenz zu nennen. Wir dürfen nur zwei Ziele nicht außer Acht lassen: Das eine ist die Konsolidierung des Staatshaushalts, das andere sind Wachstum und Beschäftigung.

Sie haben in Schladming angedeutet, dass mit der Steuerreform nicht nur die Lohnsteuer gemeint sein wird. Auch in anderen Bereichen könnte es Entlastungen geben. Was haben Sie noch vor?

Wir müssen uns fragen, wie wir auch bei den Familien zu Entlastungen kommen können.

Haben Sie schon eine Antwort?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Vorschläge: hohe Absetzbeträge pro Kind, verschiedene Tarifstrukturen in der Familienförderung etc. Auch diese prüfen wir alle hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und Treffgenauigkeit. Manche stellen sich vielleicht als nicht finanzierbar heraus. Genau deshalb wird jetzt alles durchgerechnet.

Schließen Sie Vermögensteuern, wie sie die SPÖ gern hätte, zur Gegenfinanzierung der Steuerentlastung nach wie vor aus?

Ja. Das war auch kein Thema bei der Klausur, weil wir beschlossen haben, dass die Gegenfinanzierung erst der Endpunkt des Prozesses sein wird und nicht der Startpunkt. Ich meine: Österreich hat ein Ausgabenproblem. Das sollten wir systematisch angehen.

Wenn man über hohe Staatsausgaben spricht, kommt man dann nicht automatisch zu den Pensionen?

Das ist einer der Kostentreiber, das stimmt. Aber im Pensionssystem ist ja bereits etwas passiert – und die Maßnahmen zeigen erste Wirkungen. Außerdem gibt es eine Annäherung der Sozialpartner, jene Modelle umzusetzen, die in den Regierungsverhandlungen vereinbart wurden.

Soweit mir bekannt ist, sträubt sich die Wirtschaft aber nach wie vor gegen ein Bonus-Malus-System, das Strafen für jene Betriebe vorsieht, die ältere Arbeitnehmer in die Frühpension drängen.

Wir haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen die Menschen länger in Beschäftigung halten, also das faktische Pensionsantrittsalter anheben. Und wir wollen etwas gegen den Facharbeitermangel in Österreich unternehmen. Da brauchen wir die älteren Arbeitnehmer. Deshalb werden sich alle bewegen müssen, auch die Wirtschaft.

Welche Reformen denken Sie abseits der Pensionen an?

Wir sind dabei, die Förderungen zu analysieren – tabulos, wir schauen uns alle an. Das Zweite ist die Harmonisierung des Haushaltsrechts, damit wir einmal die Budgets der Länder vergleichen können. Das soll die Voraussetzung für den nächsten Finanzausgleich sein. Und ich möchte gemeinsam mit den Ländern Ausgabenobergrenzen in der Verwaltung festlegen.

Könnte spannend werden. In einem anderen Bereich hat sich die Regierung festgelegt: Der Aufsichtsrat in der Staatsholding ÖIAG wird künftig wieder von der Regierung beschickt. Die Selbsterneuerung, die Schwarz-Blau eingeführt hat, ist Geschichte. Was versprechen Sie sich davon?

Es gibt weltweit wohl kein Unternehmen, in dem der Eigentümer keinen Einfluss hat.

Sind Sie sicher, dass es nicht um parteipolitischen Einfluss geht?

Es geht nicht um politischen Einfluss, sondern darum, dass das Eigentum der Österreicher geschützt wird und der Eigentümer seine Interessen wahren kann. Daher sollen auch keine Politiker in den Aufsichtsrat, sondern Experten mit bester Qualifikation.

Aber Experte zu sein schließt ein Parteibuch nicht aus.

Nein, das nicht. Das wäre ja auch unlogisch.

Eine Arbeitsgruppe prüft jetzt, ob es sinnvoll ist, weitere Staatsbetriebe der ÖIAG einzugliedern. Welche kommen neben dem Verbund und der Asfinag infrage?

Zuerst braucht es eine Strategie für die ÖIAG, danach sehen wir uns die Unternehmen an. Ich finde, wir sollten über alle diskutieren.

Auch über die ÖBB?

Ich finde, ja. Die Frage ist: Bringt das etwas? Es kann sein, dass es dem jeweiligen Unternehmen nützt, wenn es in der ÖIAG ist. Es kann aber auch sein, dass es ihm nichts nützt. Dann sollte man das auch ganz offen sagen.

Was glauben Sie: Welchen Unternehmen würde es nützen?

Ich weiß es nicht. Was da am Ende herauskommt, ist derzeit völlig offen.

Steckbrief

1953
wurde Hans Jörg Schelling in Hohenems geboren.

1981
promovierte er in Betriebswirtschaft und begann seine berufliche Karriere bei der Leiner-/Kika-Gruppe, 1988 wurde er Geschäftsführer.

1992
wurde er Geschäftsführer bei Möbel Lutz, 2003 machte er die XXXLutz-Gruppe mit einem Umsatz von 1,25 Milliarden Euro zum größten Möbelhaus Österreichs. 2009 erreichte das Unternehmen einen Umsatz von zwei Milliarden Euro. Schelling stieg aus und verkaufte seine Anteile.

2009
wurde er Vorsitzender im Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Am 1. September 2014 wurde er als Finanzminister angelobt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2014)

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