Asyl: "Es scheitert am politischen Willen"

Mikl-Leitner addresses a news conference in Vienna
Mikl-Leitner addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
  • Drucken

Innenministerin Mikl-Leitner will den Tagsatz für Flüchtlinge nicht erhöhen. Dass ein Teil der FCG für das Steuermodell des Gewerkschaftsbundes gestimmt hat, sei für sie in Ordnung.

Die Presse: Kurzfristig gibt es eine Asyllösung: Wien nimmt 600 Menschen auf. Langfristig planen Sie Quoten für Gemeinden. Haben Sie schon mit den Verhandlungen begonnen?

Johanna Mikl-Leitner: Wir sind mit Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer im Gespräch. Wir wollen die Schieflage beseitigen: Von 2300 Gemeinden nehmen nur 515 Flüchtlinge auf.

Dann hat er Ihnen sicher schon erklärt, dass er den Quoten skeptisch gegenübersteht: Sie wollen pro 266 Einwohner einen Flüchtling unterbringen.

Das ist nur ein Richtwert. Wenn es um die Wege geht, bin ich offen.

Was wäre denn eine Alternative?

Das muss man sich im Detail mit dem Gemeindebund anschauen. Es geht darum, topografische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Zum Beispiel, dass es eine gute Infrastruktur in der Nähe gibt.

Der Gemeindebund fordert auch mehr Geld für die Unterbringung. Jetzt sind es 19 Euro pro Tag.

Es ist bisher nicht am Geld gescheitert. Wir haben aus den Ländern gehört, dass es genügend Quartiere gibt. Es scheitert aber am politischen Willen.

Das Geld reicht aus Ihrer Sicht?

Es ist keine Frage des Geldes, sondern des Wollens. 30 Prozent der Unterkunftbetreiber schöpfen nicht einmal die 19 Euro aus. In Spezialbetreuungsfällen bin ich aber gesprächsbereit.

Eine weitere Forderung ist die Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber.

Die derzeitigen Bestimmungen sind ausreichend. Asylwerber können als Saisonarbeiter oder Selbstständige arbeiten.

Die Regelungen sind aber so strikt, dass nur wenige Asylwerber tatsächlich arbeiten.

Wir haben in der ersten Instanz eine durchschnittliche Verfahrensdauer von drei Monaten. Wenn jemand asylberechtigt ist, hat er einen vollen Arbeitsmarktzugang.

Sie bleiben also auch hier bei Ihrem Nein. Was macht Sie dann so zuversichtlich, dass die Gemeinden zustimmen – und sich in Zukunft an die Quoten halten?

Unser neues Modell sieht eine automatische Aufteilung der Asylwerber vor: Die beiden Erstaufnahmezentren in Thalham und Traiskirchen werden in ihrer heutigen Form nicht mehr benötigt, die Erstprüfung findet in jedem Bundesland statt. Die Asylwerber bleiben also in dem Bundesland, in dem sie ihren Antrag stellen. Erfüllt dieses Land bereits die Quote, aber das Nachbarbundesland nicht, wird der Flüchtling dorthin gebracht.

Auch gegen diese Pläne gibt es Kritik, etwa aus Oberösterreich. Wie will man sich einigen?

Ich bin deshalb zuversichtlich, weil mit dem Status quo alle unzufrieden sind. Das birgt die Chance für einen Neuanfang. Die Details werden jetzt diskutiert. Bis Mitte November soll das Konzept stehen, mit 1. Juli 2015 soll das neue Modell in Kraft treten.

Als ÖAAB-Obfrau werden Sie auch in Sachen Steuerreform verhandeln müssen. Wie finden Sie den neuen Finanzminister?

Ich arbeite mit Hans Jörg Schelling bestens zusammen.

Aber Sie waren eigentlich für die Bestellung von Universitätsprofessor Gottfried Haber.

Es gab viele kompetente Persönlichkeiten. Mit der jetzigen Entscheidung bin ich sehr zufrieden.

Das Steuerreformmodell des ÖAAB deckt sich jedenfalls mit dem von Haber: Sie wollen einen Gleittarif ohne fixe Stufen.

Wir haben dem Finanzminister ein sehr mutiges Modell vorgelegt, das auch eine Entlastung der Familien vorsieht. Jetzt geht es um den Wettbewerb der besten Ideen.

Die ÖVP-nahe FCG hat aber für das Konkurrenzmodell des Gewerkschaftsbundes gestimmt.

Sowohl der ÖGB als auch der ÖAAB haben ihre Ideen angemeldet. Die gilt es zu beurteilen.

Wie wollen Sie aber innerhalb des ÖAAB die Wogen glätten?

Ein Teil der FCG hat beim ÖGB-Modell mitgearbeitet. Das ist auch in Ordnung. Die Wege sind unterschiedlich. Aber das Ziel ist dasselbe: die Entlastung der Steuerzahler.

ZUR PERSON

Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist seit 2011 Innenministerin sowie Bundesobfrau des Österreichischen Arbeitnehmerbundes (ÖAAB). Bis Juli 2015 will die gebürtige Niederösterreicherin eine Reform des Asylwesens umsetzen: Die Erstprüfung der Flüchtlinge soll in allen Ländern – nicht nur in zwei Zentren – stattfinden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Politik

Caritas: "Es kann nicht von totaler Überforderung gesprochen werden"

Für heuer rechne das Innenministerium mit 27.000 Asylanträgen, 2002 seien es aber 39.000 Anträge gewesen, betont die Caritas.
Steiermark: Kirche bietet Quartiere für 250 Asylwerber bereit
Politik

Steiermark: Kirche bietet Quartiere für 250 Asylwerber an

Die Diözese Graz-Seckau will ihre "Anstrengungen verdoppeln". Das Land prüft die möglichen Quartiere derzeit.
Politik

Wels: Psychiatrische Klinik könnte Asyl-Quartier werden

Das Gebäude soll verkauft werden, vorübergehend könnte es als Quartier für 50 Asylwerber genutzt werden.
Innenpolitik

Wohncontainer für Flüchtlinge

Bei Bedarf will Innenministerin Mikl-Leitner bei der Unterbringung von Asylwerbern einen neuen Weg beschreiten, wenn es in den Bundesländern weiter nicht genügend Betreuungsplätze gibt.
 Michael Chalupka
Politik

Diakonie-Direktor: "Bürgermeister müssen mehr Mut haben"

Michael Chalupka warnt vor einer "Asflucht der Politik". Das im neuen Islamgesetz verlangte Bekenntnis von Muslimen zum Rechtsstaat sei absurd.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.