Weißes Haus: Peinliche Fehler des Secret Service

(c) APA/EPA/MICHAEL REYNOLDS (MICHAEL REYNOLDS)
  • Drucken

Enthüllung zweier gefährlicher Sicherheitspannen sorgt für Debatte über neue Maßnahmen zum Schutz der Präsidentenresidenz.

Washington. Jetzt steht es auch schwarz auf gelb auf einem Absperrband, damit nur ja keine Missverständnisse aufkommen: „Police line – do not cross“.

Dass man den Zaun rund um das Weiße Haus nicht überklettern darf, klingt einleuchtend. Doch nach den jüngsten Enthüllungen über zwei ebenso peinliche wie gefährliche Angriffe auf die Residenz des amerikanischen Präsidenten und seiner Familie liegen die Nerven beim Secret Service, der Sonderpolizei zur Beschützung hoher US-Politiker, blank. Am Wochenende hat die „Washington Post“ enthüllt, dass der Secret Service im Jahr 2011 ein Schussattentat auf das Haus verschlafen hatte. Ein junger Mann mit Wahnvorstellungen hatte damals aus dem Auto auf die Südfassade des Weißen Hauses geschossen. Die sieben Schüsse, von denen eines ein Fenster im zweiten Stock zertrümmerte, aber von einem zweiten Innenfenster aus Panzerglas gestoppt wurde, hatten Passanten und einzelne Secret-Service-Beamte alarmiert. Ein befehlshabender Offizier gab damals allerdings an die Beamten die Devise aus, es habe sich um Fehlzündungen des Motors einer Baumaschine gehandelt, nicht um Schüsse aus einem rumänischen Nachbau einer Kalaschnikow. Der Mann wurde kurz darauf von der normalen Polizei festgenommen und sitzt derzeit eine 25-jährige Haftstrafe ab.

Am Dienstag schob die „Washington Post“ eine zweite unangenehme Enthüllung nach. Omar González, jener ebenfalls geistig verwirrte Irak-Kriegsveteran, der am 19. September über den Zaun an der Nordseite des Weißen Hauses (dort, wo man als Tourist die besten Fotos knipsen kann) geklettert und durch den Haupteingang in das Gebäude gerannt war, konnte erst im Inneren des Gebäudes, im sogenannten East Room, von zwei Secret-Service-Beamten zu Boden gerissen werden. Zum Zeitpunkt beider Zwischenfälle war Präsident Barack Obama nicht zu Hause; beim Schussattentat befand sich jedoch seine jüngere Tochter und deren Großmutter im Weißen Haus, und dass damals jemand dem Präsidenten und seiner Familie nach dem Leben getrachtet hatte, wurde erst Tage später bekannt, als eine Putzfrau das beschädigte Fenster entdeckte.

Unmut über weitere Sicherheitszone

Diese Pannen veranlassten das Abgeordnetenhaus am Dienstag zu einer Anhörung der Direktorin des Secret Service, Julia Pierson. Neues ergab diese Enquete erwartungsgemäß nicht. Pierson, die seit 2013 die Agentur führt, gelobte, dass solche Zwischenfälle nie wieder passieren würden. Einige Abgeordnete, die derzeit allesamt in der Endphase ihrer Wahlkämpfe für die Kongresswahlen am 4. November sind, nutzten diese Gelegenheit, um sich zu profilieren: „Die Antwort sollte überwältigende Gewalt sein, nicht enorme Zurückhaltung“, sagte Jason Chaffetz, ein Republikaner aus Utah.

Forderungen nach der Einrichtung einer weiteren Sicherheitszone und dem schnelleren Einsatz von Schusswaffen stoßen jedoch auf großen Widerstand unter den Bürgern. Seit 2004 ist der Abschnitt der Pennsylvania Avenue vor dem Weißen Haus für den Autoverkehr gesperrt. Scharfschützen patrouillieren auf den Dächern umliegender Häuser; ein Bekannter des „Presse“-Korrespondenten war vor einigen Jahren ziemlich erschrocken, als er während eines Aufenthaltes in einem Hotel nahe dem Weißen Haus beim Fensteröffnen den roten Punkt eines Zielfernrohrs auf seiner Brust sah. Und im vergangenen Jahr erschoss der Secret Service eine schizophrene unbewaffnete Frau, die mit ihrem Auto durch einen Wachposten zu rasen versucht hatte; auf ihrem Rücksitz fanden die Beamten ihren zweijährigen Sohn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

USA SECRET SERVICE WHITE HOUSE
Außenpolitik

Secret-Service-Chefin Pierson: Eindringen "inakzeptabel"

Sie übernehme die volle Verantwortung für die Sicherheitspanne. Ein bewaffneter Eindringling gelang über einen Sicherheitszaun ins Weiße Haus.
Das Weiße Haus
Außenpolitik

Weißes Haus: Eindringling gelangte bis in den "East Room"

Ein Irak-Veteran drang weiter ins Weiße Haus vor, als bisher bekannt war. Die Frage bleibt: Wie sehr kann der Secret Service den Präsidenten schützen?
Julia Pierson
Außenpolitik

USA: Chefin des Secret Service muss gehen

Julia Pierson übernimmt die "volle Verantwortung" für die jüngsten Sicherheitspannen im Weißen Haus.
Das Weiße Haus
Außenpolitik

Weißes Haus: Eindringling gelangte bis in den "East Room"

Ein Irak-Veteran drang weiter ins Weiße Haus vor, als bisher bekannt war. Die Frage bleibt: Wie sehr kann der Secret Service den Präsidenten schützen?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.