Wien: Rot-Grün erstmals auf dem Prüfstand

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HÄUPL / VASSILAKOU(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Die Wahl 2015 in Wien wird mehr als eine Landtagswahl. Rot-Grün tritt erstmals vor die Wähler, die FPÖ kämpft gegen den eigenen Plafond, die ÖVP ums Überleben.

„Ich streite lieber über Straßen als über Bildungspolitik.“ Mit diesen Worten setzte Bürgermeister Michael Häupl im Jahr 2010 die ÖVP nach einem Sondierungsgespräch vor die Tür und hob die erste rot-grüne Landesregierung Österreichs aus der Taufe.

Fünf Jahre später, also im nächsten Jahr, steht das Role Model für Rot-Grün im Bund, wie es von hochrangigen Grünen gern bezeichnet wird, erstmals auf dem Prüfstand. Im Herbst 2015 sollen die Wien-Wahlen über die Bühne gehen (falls sie nicht auf Juni vorverlegt werden). Dann geht es für alle Parteien um deutlich mehr als um eine gewöhnliche Landtagswahl. Es geht um Existenzfragen, um eine koalitionäre Richtungsentscheidung und um einen neuen Bürgermeister. Und alle Wiener Parteien haben dann wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren.


Häupls letztes Antreten. Fix ist: Wien wird einen neuen Bürgermeister bekommen. Nach der Wahl werde er die Koalitionsverhandlungen führen und in Ruhe seine Funktion übergeben, hatte Häupl angekündigt. Wer ihm nachfolgt, ist noch offen. Michael Ludwig (Wohnbaustadtrat), Rudolf Hundstorfer (Sozialminister) und Andreas Schieder (SP-Klubchef im Parlament) werden laufend genannt.

Beeinflusst wird die Häupl-Nachfolge vom Wahlergebnis seiner SPÖ, die laut Umfragen meilenweit von der absoluten Mehrheit entfernt ist. Und dieses Ergebnis wird wiederum von Faktoren beeinflusst werden, die derzeit nicht kalkulierbar sind: Wie verärgert ist die rote Basis nach den turbulenten Jahren mit den Grünen? Immer mehr in der SPÖ fordern intern einen Wechsel von den Grünen zur ÖVP nach der Wien-Wahl. Auch, weil laut Umfragen die Koalition der SPÖ schadet, die Grünen aber profitieren. Und: Ist die Flüchtlingsaufteilung in Österreich zum Zeitpunkt der Wien-Wahl gelöst? Falls die 600 Flüchtlinge, die Häupl nun für vier Monate in Wien aufgenommen hat, dann noch immer in ihren temporären Unterkünften sind, spielt er damit der FPÖ direkt in die Hände. Ähnliches gilt für eine Steuerreform, die Häupl immer gefordert hat: Sie muss 2015 bei den Wienern spürbar angekommen sein, sonst profitiert wieder die FPÖ.

Das Hauptproblem ist für Häupl aber die Mobilisierung der eigenen Wähler geworden. Er hat zwar gegengesteuert (personell und mit Aktionen wie Hausbesuchstouren). Ob das reicht, bleibt aber offen. Entscheidend für das SPÖ-Ergebnis wird auch die Reform des neuen Wiener Wahlrechts sein, um die Rot-Grün noch feilscht.

Für die Grünen geht es ebenfalls um viel. Nämlich um die Frage, was ihnen die Regierungsbeteiligung in Wien wirklich gebracht hat. Die 12,64 Prozent von 2010 sollten leicht zu übertreffen sein (damals gab es Parteispaltungen in den wichtigsten Grün-Bezirken). Doch durch die Erfolge in den anderen Bundesländern (wie jetzt in Vorarlberg) ist der Druck auf Maria Vassilakou enorm gestiegen. Kann sie gute Umfragewerte (wieder einmal) nicht in ein entsprechendes Wahlergebnis umsetzen, könnte es bei den Wiener Grünen rumoren.


FPÖ-Luxusprobleme. Die FPÖ dagegen hat andere Sorgen. Ihr steiler Zug nach oben ist auf Wiener Boden vorerst gestoppt worden. Bei der Nationalratswahl gab es ein Gesamtplus von 0,1 Prozentpunkten – mit Verlusten in der Mehrheit der Wiener Bezirke. Das Ausländerthema zieht nicht mehr so gut wie früher, die Anti-EU-Linie lässt sich für die Wien-Wahl nicht gut nutzen. Wenn Heinz-Christian Strache 2015 nicht weiter zulegen kann, ist der Plafond erreicht. Das könnte für die erfolgsverwöhnten Freiheitlichen in der Folge ein Problem werden. Auch in Hinblick auf künftige bundesweite Wahlen.

Diese Luxusprobleme hätte die ÖVP gern. Junge Bürgerliche wählen Neos oder Grüne, alte-traditionelle ÖVP-Wähler sterben aus, die Partei muss aufpassen, in Wien nicht einstellig zu werden. Was ihr (derzeit) hilft: Mit Reinhold Mitterlehner kommt wieder Rückenwind vom Bund. Ob das bis 2015 hält, ist mehr als fraglich. Wobei das ÖVP-Ergebnis auch von der Performance der Neos, die erstmals in Wien kandidieren, abhängig sein wird. Bei der Nationalratswahl räumten sie in Wien eine ÖVP-Hochburg nach der anderen ab. Doch in der Zwischenzeit ist bei den Neos nach diversen Wahlen Ernüchterung eingetreten. Nur: In Wien haben sie – erstmals seit der Nationalratswahl – mit Beate Meinl-Reisinger eine Spitzenkandidatin, die über politische Erfahrung verfügt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2014)

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