Reisesalon: Scheinmenschen und Baumhäuser

Reise Salon ´13
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Möglichst viel in möglichst kurzer Zeit erleben oder, umgekehrt, weniger Erlebnisse, aber dafür umso intensivere seien im Trend, sagen Reiseveranstalter und Tourismusforscher.

Wien. „Urlaub macht glücklich und hält gesund“, sagt Karlheinz Geißler, emeritierter Professor und Zeitforscher in München. Sein Geld für Erfahrungen – seien es nun Wanderungen, Reisen oder Konzerte – auszugeben würde kurz- wie auch längerfristig mehr bringen, als in materielle Dinge zu investieren, lautet seine These. Intuitiv machen wir es hierzulande also alle richtig, denn – wie Statistik Austria belegt – haben wir Österreicher im Sommer 2013 um 30,9 Prozent mehr Urlaubsreisen unternommen als im Vergleichsjahr 2004.
Reisen bleibt definitiv im Trend. Die dafür verfügbare Zeit allerdings wird knapper. Nur noch 15 Prozent der Trips dauern länger als zwei Wochen. Da das so ist, will sich niemand mehr nur auf eine Urlaubsart beschränken. Gebucht werden häufig Kombinationen aus Sun & Beach mit Aktiv- oder Kulturprogrammen. Und noch etwas fällt auf: Der Winterurlaub gewinnt europaweit an Marktanteilen, das bestätigt auch der von IPK International durchgeführte Travel Monitor. Wobei es sich freilich nicht um Urlaubsziele im Schnee handelt, sondern vor allem um Destinationen mit möglichst großer Sonnengarantie, die in der kalten Jahreszeit punkten.
„Afrika wird immer interessanter, auch wegen des neuen Direktflugs der Ethiopian Airlines ab Wien“, erklärt Christina Neumeister-Böck, die heuer zum dritten Mal den „Reisesalon“, die zweite große Reisemesse in Wien, in der Hofburg auf die Beine gestellt hat (17.–19. Oktober, reisesalon.at).
Harald Golda vom Akademischen Reisedienst sieht den Iran als klaren Gewinner. Das reiche kulturelle – vor allem architektonische – Erbe Persiens würde dem Land einen Platz unter den Top Ten weltweit sichern, viele Kulturinteressierte hätten bis jetzt aber gezögert, sich darauf einzulassen. Zudem sei der Iran wegen der hohen Inflation so günstig wie nie.

Das „Mehr/Oder-Gefühl“

Neben dem Reiz des Fremden gibt es noch zahlreiche andere – gute – Gründe, für eine Fernreise. Immer öfter sind es nachhaltige Ideen, die dazu inspirieren. Windrose organisiert heuer erstmals gemeinsam mit dem Jane Goodall Institute Austria eine Reise nach Uganda, bei der sich die Gelegenheit ergibt, den „kivili-chimpenze“, wie der Scheinmensch oder Primat in der Sprache der Einheimischen heißt, in freier Wildbahn zu erleben. Von den Einnahmen durch die Lodge, die Unterkunft für die Gäste, fließt ein Teil an das Institut, der dazu dienen wird, die bedrohten Schimpansen und ihren Lebensraum zu schützen.
Auch Thomas Cook hebt Touren, die besondere Rücksicht auf Umwelt und Einheimische nehmen, durch ein sogenanntes Local Label hervor. Die erste 2014 mit diesem Gütesiegel ausgezeichnete Rundreise führt zu den Höhepunkten Nicaraguas und wird die landestypischen Traditionen in den Vordergrund stellen. Dass Menschen, die Fair-Trade-Produkte im Supermarkt kaufen, sich immer öfter auch für faires Reisen entscheiden, scheint logisch. Der Brückenschlag zwischen Engagement und Komfort, Ökologie und Designanspruch, Gruppen- und Individualerlebnis stellt die Reisebranche jedoch vor eine ziemliche Herausforderung.
Der Wunsch, in kurzer Zeit möglichst viel oder wenig, aber dafür intensiver zu erleben – auch das ist ein Trend, aufgelistet im aktuellen Tourismusreport des deutschen Zukunftsinstituts. Studiosus trägt diesem „Mehr/Oder-Gefühl“ mit seinen Smart-and-small-Reisen Rechnung. Südafrika, ein halber Kontinent, wird in nur zehn Tagen durchquert, und dabei bleibt noch „viel Freiraum zum Ausspannen und Shoppen“.
Städtereisen schaffen den Balanceakt zwischen kurzem und intensivem Reisen am ehesten und boomen deshalb weiterhin. Allen voran Wien, das nach Angaben des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung in der bisherigen Saison ein Plus von 6,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr erreicht hat. Aber auch schlafende Dornröschen wie Triest wissen sich – Kaffeekult, Kulinarik und TV-Krimi sei Dank – zu positionieren. „Viele sitzen auf der Terrasse des Duchi d'Aosta, trinken einen Espresso und warten darauf, dass der Commissario hier vorbeikommt. Schließlich ist die Questura gleich neben unserem Hotel“, erzählt Seniorchefin Hedy Benevenuti.
Atmosphäre, Erlebnisse und Ethik ergeben die drei Säulen, auf denen Destinationen in Zukunft ihre Strategien aufbauen müssen, ist das Resümee des Zukunftsinstituts. Nicht der Ort als solches sei mehr das Ziel der Reise, sondern die dort gemachte Erfahrung. Bevor in Luče das Baumhaushotel eröffnet hat, ist das kleine slowenische Dorf höchstens unter Fliegenfischern bekannt gewesen. Nun gibt sich im Hiša Raduha ganz Europa die Klinke in die Hand: Hoch oben nah dem Himmel zu nächtigen ist für viele Menschen ein Kindheitstraum und macht sie glücklich.

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