Die Notenbanken suchen einen neuen Fahrplan

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Angesichts fallender Inflationsraten und Börsenkurse lockern die Notenbanker wieder ihre Rhetorik.

Wien/New York/Frankfurt/Tokio. Eigentlich war der Fahrplan klar. Die Notenbanken verschärften schon vergangenes Jahr – nachdem sie die Weltwirtschaft mehrmals vor dem Kollaps „gerettet“ hatten – ihre Rhetorik und bereiteten die Märkte auf eine baldige Rückkehr in die Normalität vor. Allen voran die US-Notenbank Federal Reserve, die ihr „Gelddruckprogramm“ Quantitative Easing auslaufen lässt – zumindest theoretisch. Praktisch sind auch in den vergangenen zwölf Monaten die Bilanzen der wichtigsten Notenbanken kumuliert weitergewachsen – auch jene der Fed. Und eine Notenbankbilanz wächst dann, wenn sie Geld druckt.

Notenbanken sind allein machtlos

Rund zehn Billionen (10.000 Milliarden) Dollar haben die Zentralbanken seit der Finanzkrise in die Märkte gepumpt. Eine Frage ließen sie dabei aber unbeantwortet: Wie werden die Notenbanker ihre Finger wieder aus den Märkten bekommen – ohne dass diese zusammenbrechen? Nun, der erste Versuch scheint gescheitert. Denn die Erholung ist nie in dem erhofften Umfang eingetreten. Das Notenbankgeld hat zwar die Kurse an den Börsen getrieben. Kreditvergabe, Investitionen und Konsum blieben aber blutleer.

Notenbankgeld kann aber erst positive Impulse bringen, wenn die Banken es „hebeln“ und Kredite für gute Unternehmen vergeben. So wächst die Geldmenge, und in Folge dieser Inflation kommt es zur Teuerung, also zu steigenden Preisen. Aber wenn „die Wirtschaft“ – also Staaten, Unternehmen und Menschen – nicht wollen, kann auch eine Notenbank nicht viel machen: nur Zinsen senken, die Notenpresse anwerfen, warten und hoffen. Diese Hoffnungen werden derzeit kaum erfüllt. In der Eurozone fallen die ohnehin niedrigen Inflationsraten. Auch in Großbritannien sieht es ähnlich aus. Deswegen werden jetzt, da auch an den Börsen eine Korrektur eingesetzt hat, schon wieder Stimmen laut, die angekündigten Zinserhöhungen bis auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

So warnte Andrew Haldane, der Chefökonom der Bank of England,am Freitag, dass die Notenbank die Zinsen nicht allzu rasch anheben dürfe, damit der Aufschwung auf der Insel nicht gefährdet wird. Die Inflationsrate ist im September auf ein Fünfjahrestief von 1,2 Prozent gefallen. Aber mehr als die Zinserhöhungen zu verschieben kann die Bank of England kaum tun, die Zinsen sind ja schon lang auf einem Rekordtief (0,5 Prozent). In den USAist die Situation ähnlich: Die Zinswende wird verbal verschoben.

In Japanhat die Regierung von Ministerpräsident Abe eigens den Notenbankchef ausgetauscht, um eines der brutalsten Gelddruckprogramme überhaupt zu starten (Abenomics). Das Ergebnis: Die Aktienkurse haben rasch angezogen – aber dieser kurze Aufschwung ist auch schon wieder dahin. Jetzt wird gestritten, ob man gescheitert ist – oder einfach noch mehr Geld drucken soll.

Die Eurozonehat eigene Probleme: Deutschlands Bundesbank-Chef Jens Weidmann macht kräftig Stimmung gegen das neue Programm der EZB, die den Banken „Ramschpapiere“ abkaufen will, um Geld in den Markt zu pumpen. Gleichzeitig gibt es im Süden schon Deflation, und die Zinsen auf Staatsanleihen ziehen wieder an. Die Krise scheint noch nicht vorbei – und die Notenbanken brauchen einen neuen Fahrplan.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2014)

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