Mauerblümchendasein

Einer von den beiden oder: Warum der US-Vizepräsident nur in die Zeitung kommt, wenn sein Sohn kokst.

Hand aufs Herz. Hätten wir Sie in der Nacht geweckt und gefragt „Wie heißt der amtierende US-Vizepräsident?“, hätten Sie es gewusst? Selbst wenn ja, muss man sagen, dass Joe Biden im Schatten von Barack Obama seit immerhin sechs Jahren doch ein ziemliches Mauerblümchendasein führt. Man denke da an Al Gore oder gar Dick Cheney. Die Namen Bill Clinton und George W. Bush fühlen sich ohne sie wie Oliver Hardy ohne Stan Laurel an. Unvollständig also.

Joe Biden, ein Name, ideal für deutschsprachige Bildtexte à la „Biden, der linke von den beiden“, hat es also am Ende dieser Woche wieder einmal ins öffentliche Blickfeld geschafft. Allerdings nur über seinen Sohn Hunter Biden, der angeblich beim Kokainkonsum erwischt worden ist. Das ist für keinen Vater sehr prickelnd, für US-Vizepräsidenten aber wahrscheinlich besonders unangenehm. Es ist übrigens anzunehmen, dass es auch für den Sohn nicht besonders fein ist, einen US-Vizepräsidenten zum Vater zu haben.

Was uns aber mehr interessiert als der gute Joe und sein Sohn, ist das Amt des Vizepräsidenten an sich. In TV-Serien sind sie längst Hauptfiguren. In „Veep“ dreht sich alles um eine Vizepräsidentin (so weit waren wir in der Realität allerdings noch nicht). Auch in der Polit-Serie „House of Cards“ werden gleich zwei Typen von Vizepräsidenten skizziert. Die hochgelobte Serie ist übrigens weit weniger gut, als alle sagen. Wir mögen sie nur, weil es uns so enorm beruhigt, dass dort hinter politischen Entscheidungen immer ein wohlkalkulierter Plan steckt. Und nicht – wie uns bei heimischer Politik des Öfteren schwant – nur reiner Zufall und ein bisserl Überforderung die Geschicke des Landes bestimmen.

In „House of Cards“ gibt es also den einen Vize, der als reiner Statist sein Dasein im Weißen Haus fristet und unglücklich über seine mangelnde Bedeutung ist. Ihm folgt Kevin Spacey als Frank Underwood nach, der den Präsidenten vor sich hertreibt und immer mehr an Einfluss gewinnt.

In Österreich ist das alles ja viel einfacher und gleichzeitig komplizierter: Der Präsident hat keinen Vize und kaum Einfluss. Der Bundeskanzler hat zwar einen Vizekanzler, sein eigentlicher Vize heißt aber Josef Ostermayer. Wäre eigentlich etwas für eine Serie.

Und wenn uns demnächst jemand weckt, wissen wir: Joe Biden...

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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