New York: Online-Spielwiese für Frau Brown

(c) AP (Jacquelyn Martin)
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Die Journalistin und Diana-Biografin Tina Brown will im Herbst ein Web-Magazin starten. Die New Yorker Medienbranche prophezeit ihr wenig Erfolg.

Stillstand mag sie nicht. Aber wer kann schon Stillstand mögen, wenn er schon einmal an der Spitze des „New Yorker“, der „Vanity Fair“ und des „Tatler“ stand. Bei letzterem war Tina Brown mit 25 Jahren eine der jüngsten Magazin-Chefredakteurinnen der USA. Das war 1978.

Seit damals hat die geborene Britin Brown schon einigen Magazinen ihre Handschrift verliehen – und deren Auflage in rasantem Tempo zu vervielfachen. Das ging meistens sehr gut (wie beim „New Yorker“), zuletzt aber nur mehr schlecht als recht. 1998 verließ sie den „New Yorker“, um mit dem Filmproduzenten Harvey Weinstein ein eigenes Magazin zu gründen. „Talk“ kam aber von Anfang an nicht aus den roten Zahlen heraus und musste 2002 eingestellt werden. Eine Niederlage, die Brown sehr schwer getroffen hat, wie enge Vertraute gerne berichten.

Deshalb verlegte sich die heute 54-Jährige zwischenzeitlich aufs Bücher-Schreiben. Ihre wenig schmeichelhafte Biografie über die früh verstorbene Lady Di, mit der sich Brown einst regelmäßig zum Lunch in London traf, entwickelte sich im Vorjahr zum Bestseller. Ihr neues Buch über Hillary und Bill Clinton soll bald fertig werden. Bücher-Schreiben allein scheint der Journalistin aber nicht genug zu sein. Im Herbst will sie ihr eigenes Online-Magazin starten, das sie „The Daily Beast“ nennt. Der Name ist eine Anspielung auf den Roman „Scoop“ des britischen Autors Evelyn Waugh, eine Satire über Sensationsjournalismus, der 1938 erschien. Darin gerät der junge Journalist William Boot, der für die Zeitung „The Daily Beast“ schreibt, in einen Gewissenskonflikt, als er als Korrespondent in einen fiktiven afrikanischen Staat versetzt wird. Im Roman lässt der Zeitungseigentümer Lord Copper selbst Nachrichten für seine Zeitung produzieren. In der US-Medienbranche wird nun spekuliert, ob sich Tina Brown auf ihrer vom Medienmogul Barry Diller finanzierten Webseite als Lord Copper der Neuzeit präsentieren wird. Die Anspielung auf Waughs Satire macht bei Brown jedenfalls doppelt Sinn – und sie beweist damit auch Sinn für Humor. Denn sie begann ihre journalistische Laufbahn als Oxford-Studentin mit einem Interview mit Auberon Waugh, Evelyn Waughs Sohn. Dabei hatte ihr nicht das Interview an sich zu einem gelungenen Karrierestart verholfen, sondern die Beziehung, die sie daraufhin mit (dem wenig attraktiven) Waugh einging. Er habe sie gefördert und sie schon nach kurzer Zeit befreundeten Chefredakteuren vorgestellt, schreibt Brown-Biografin Judy Bachrach.


Noch ist unklar, was die Frau, die der „Guardian“ einst „Queen of Manhattan and Media“ nannte, mit ihrer Seite erreichen will. Sie selbst war bisher auch zu keiner Stellungnahme bereit. Nur so viel ist bekannt: die Seite soll keine bestimmte politische Ausrichtung haben.

In der New Yorker Medienbranche rätselt man nun jedenfalls, ob es sich bei der Seite um eine Meinungsseite oder einen reinen Nachrichtendienst handeln wird. Erfolg prophezeit ihr vorerst niemand. Der „Vanity Fair“-Kolumnist Michael Wolff glaubt, dass der Printjournalistin Brown vor allem die Technik zum Verhängnis werden wird.

In einem Interview sagte er über Brown und ihre Kollegin Bonnie Fuller, die ebenfalls eine eigene Webseite (mit Celebrity-Tratsch) starten will: „Es gibt niemanden in Amerika, der weniger über das Internet weiß als Bonnie Fuller. Außer Tina Brown.“ Ihrer beider Vorhaben sei genau so riskant wie der Wechsel eines Theaterschauspielers ins Filmfach. Tina Brown bleibt unterdessen (noch) im Hintergrund und schweigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2008)

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