Meinung forschen, Meinung machen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Umfragen sind das Salz in der Suppe jedes Wahlkampfes. Deshalb vertrauen die Großparteien auch auf „ihre“ Meinungsforscher. Damit wirklich jede Umfrage ihren politischen Zweck erfüllt.

Die aufschlussreiche Meldung erreichte die Redaktionen am frühen Dienstagnachmittag: „71 Prozent für Beibehaltung der Studiengebühren“, titelte die Austria Presseagentur – und berief sich auf eine brandaktuelle Umfrage.

Wenige Stunden später folgte eine weitere Aussendung zu dem Thema, und alles war anders: „56 Prozent für Abschaffung (der Studiengebühren)“, hieß es da. Ist uns seinerzeit im Mathematik-unterricht etwas Wesentliches entgangen? Keine Bange: Es handelt sich bloß um zwei verschiedene Umfragen. Die erste ist vom Meinungsforschungsinstitut GfK. Numero zwei kommt von Ifes.

Tags darauf, am Mittwoch, das gleiche Schauspiel. Diesmal geht es um Umfragen zum „Kanzler-Duell“ des Vorabends. Um elf Uhr vormittags kommt
die erhellende Botschaft: SPÖ-Kandidat Werner Faymann ist „eindeutig Gewinner des TV-Duells“. Das behaupten zumindest 46 Prozent der Befragten, nur 32 Prozent sehen in ÖVP-Chef Wilhelm Molterer den Sieger. Eine Stunde später scheint es sich das gemeine Wahlvolk doch anders überlegt zu haben – weil jetzt plötzlich „Molterer klarer Sieger gegen Faymann“ gewesen sein soll. Das behaupten diesfalls 53 Prozent der Befragten.

Unschwer zu erraten, wer die beiden Umfragen gemacht hat.

Womit auch die vorläufigen Sieger des Wahlkampfs 2008 feststehen: Das „rote“ Ifes-Institut und das „schwarze“ Pendant GfK haben in den vergangenen Monaten ein recht einträgliches Geschäft gemacht. Mehrere hunderttausend Euro Umsatz zusätzlich für jeden, heißt es in der Branche. Näheres ist dazu nicht in Erfahrung zu bringen. GfK-Chef Rudolf Bretschneider meint nur: „Bei uns fällt das gemessen am Gesamtumsatz nicht so ins Gewicht.“ Und Ifes-Chefin Imma Palme will über Auftragsvolumina „prinzipiell nichts sagen“. Es sei aber keinesfalls so, dass in Wahljahren der große Geldregen ausbreche.

Mehr als Nieseln wird's aber schon sein. Umfragen sind ja ein wesentlicher Bestandteil jedes Wahlkampfs – und vor allem den Großparteien ist es natürlich einiges wert, mithilfe von Feldforschungen der öffentlichen Meinung ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Auf „ihre“ Meinungsforschungsinstitute können sie sich dabei stets verlassen: Das Ifes wurde seinerzeit von SPÖ-Urgestein Karl Blecha gegründet und gehörte dann jahrelang dem ÖGB. Im Zuge der Bawag-Krise hat Blecha sein „Baby“ im Frühjahr 2007 zurückgekauft. Es blieb also alles in der Familie. GfK hingegen gilt seit seiner Gründung im Jahre 1950 als ÖVP-affin. Und Bretschneider hat mit dem Image auch heute keinerlei Problem: „Die ÖVP ist eine unserer langjährigen Kunden. Da hat man dann schon eine besondere Beziehung.“

Und so kommt es, dass GfK im August eine Umfrage präsentierte, wonach die Österreicher vor allem die Sorge um Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze belaste – zufälligerweise sei das von der SPÖ strapazierte Thema Teuerung kein drängendes Problem. Die SPÖ hingegen ließ das Ifes eruieren, dass die Teuerung den Österreichern sehr wohl „unter den Nägeln brennt“. Außerdem durfte sich die SPÖ in der Gewissheit wiegen, dass eine Mehrheit im Lande ihren EU-Schwenk voll unterstützt – Ifes sei Dank.

Ein strategisches Bravourstück leistete auch SPÖ-Wahlkampfleiterin Doris Bures gleich zu Beginn der Schlacht. Da präsentierte sie eine Ifes-Umfrage, wonach die SPÖ grauenhafterweise nur mit 21 bis 23 Prozent der Wählerstimmen rechnen könne. Die Taktik dahinter ist Politbeobachtern klar: Im Zuge des Wahlkampfs würde die SPÖ natürlich bessere Umfragewerte aufweisen. Womit der „kometenhafte Aufstieg“ der Partei unter Werner Faymann wunderschön dokumentiert wäre.

Sind solche Umfragen getürkt? Haben sich die Meinungsforscher die Daten aus den Fingern gesogen? Ganz und gar nicht. „Solche Umfragen sollen aber natürlich das gewünschte Ergebnis des Auftraggebers haben“, weiß Wolfgang Bachmayer, Chef des Meinungsforschers OGM, „da kommt es halt auf die richtige Fragestellung an“. Nach der TV-Debatte Molterer/Faymann fragte also das ÖVP-nahe GfK: „Wer war in Sachfragen sattelfester?“ oder: „Wer hat überzeugender dargestellt, was er für Österreich erreichen möchte?“ Die Ifes-Fragestellung lautete hingegen: „Wer hat die sozialen Probleme besser angesprochen?“ oder: „Wer hat positiv beeindruckt?“ Und schon hat man seinen gewünschten „Sieger“.

Bachmayer grantelt: „Da spielen unabhängige Meinungsforscher nicht mit.“

Man ahnt es schon: Bachmayer ist – wie viele in seiner Branche – ein wenig ungehalten. Und das hat einen guten Grund: Politisch unabhängige Meinungsforscher dürfen zwar hin und wieder ein paar „Kontrollstudien“ für die Großparteien machen, weil diese bisweilen schon ganz gerne auf die Meinung „von außen“ hören. Doch in Summe gehen diese Institute bei den österreichischen Wahlkampfspektakeln eher leer aus.

Unabhängige Meinungsforscher machen daher ihre politischen (objektiven) Umfragen für die Medien. Die bezahlen zwar nicht annähernd so gut wie die Parteien, dafür haben die Meinungsforscher anderweitig etwas davon. „Die Veröffentlichung solcher Umfragen sind gut für unser Ansehen und haben dadurch natürlich einen gewissen Werbeeffekt“, sagt Meinungsforscher Fritz Karmasin. So sieht das auch Werner Beutelmeyer, Chef des Linzer Market-Instituts: „Was uns finanziell nährt, sind aber die Aufträge aus der Wirtschaft.“

Auf die sind die unabhängigen Institute tatsächlich angewiesen, weil von der Politik – auch in Nichtwahlkampfzeiten – nicht sonderlich viel zu erwarten ist. Hingegen können GfK/Ifes jubeln, wenn es „ihre Partei“ in die Regierung geschafft hat: Da gibt es dann jahrein, jahraus die herrlichsten Aufträge aus Ministerien und parteinahen Institutionen.

Selbstverständlich werden die ausgeschrieben. Doch OGM-Chef Bachmayer sagt, dass er bei zwei Dritteln dieser Ausschreibungen erst gar nicht mitmacht. So erinnert er sich an eine Ausschreibung des ÖVP-Wirtschaftsministeriums Ende 2002 mit einer Auftragssumme von immerhin 200.000 Euro. Feine Sache – bloß die Zuschlagskriterien waren einigermaßen merkwürdig: Mitbietende Meinungsforscher mussten einen gewissen Mindestjahresumsatz haben. Womit Bachmayer klar war: Dieses Kriterium konnte nur Branchenprimus GfK erfüllen.

In der roten Reichshälfte läuft das ganz ähnlich: Bachmayer durfte für BZÖ-Sozialministerin Ursula Haubner etliche Umfragen machen. Bis SPÖ-Minister Erwin Buchinger kam. Jetzt ist Ifes dran.

auf einen blick

Gfk Austria GmbH ist mit einem Jahresumsatz von rund 25 Mio. Euro und 150 Mitarbeitern das größte Marktforschungsinstitut des Landes. Gfk wurde 1950 als „Dr. Fessel Institut“ gegründet und gilt seit jeher als ÖVP-nahe.
Ifes ist das „rote“ Pendant zu Gfk. Es wurde 1964 von Karl Blecha gegründet, gehörte zwischenzeitlich dem ÖGB und wurde 2007, im Zuge der Bawag-Krise, wieder an Blecha verkauft. Ifes kommt mit 26 Mitarbeitern auf rund vier Mio. Euro Umsatz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2008)

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