Clovis Taittinger: "Bei der Liebe kalkuliert man nicht"

(c) ERNST KAINERSTORFER
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Clovis Taittinger ist Spross der französischen Champagner-Dynastie. Der "Presse" erklärt er, wie man sich um 40 Euro gute Momente kaufen kann und warum Taxifahren nicht das Schlimmste wäre.

Die Presse: Warum trinken die Menschen Champagner?

Clovis Taittinger: Ich bin vielleicht nicht der Richtige, diese Frage zu beantworten. Aber es gibt wohl mehrere Gründe. Einer dürfte am Symbol Champagner liegen. Er steht für Liebe, Partys, Glück– alles eben, was das Leben glücklicher und emotionaler macht. Dann gibt es noch jene, die Champagner wegen des Weins trinken. Immerhin ist er die Crème de la Crème der Schaumweine. Für manche ist es also mehr eine intellektuelle Freude.

Ist Champagner auch ein Getränk für den Otto Normalverbraucher oder etwas, woran sich nur Wohlhabende erfreuen?

Etwas zu feiern und Geld zu haben kann zusammengehören, hat aber eigentlich nichts miteinander zu tun. Geld kann ein Kriterium sein, weil Champagner mit Luxus assoziiert wird. Aber Champagner ist ein leistbarer Luxus. Eine Flasche kann man für 40 oder für 200 Euro kaufen. Für diesen Betrag kann man das Gleiche trinken wie die Königin von England. Man kann selbst ein Star sein.

Warum kaufen die Leute Ihre Produkte – wegen des Namens oder der Qualität?

Man kann wahrscheinlich 20Gründe finden, warum die Leute zu unseren Flaschen greifen. Vielleicht, weil wir gerade die einzige Marke im Regal sind oder weil Kunden unserem Produkt mehr Exklusivität zuschreiben. Für uns steht die Qualität aber im Vordergrund.

Können Kunden diese Qualität schmecken?

Vielleicht nicht. Aber jeder schmeckt schlechte Qualität. Es ist wie einen BMW oder einen Mercedes zu fahren. Keiner weiß, was sich im Motor befindet, aber man weiß, dass man sicher und ohne Probleme von Salzburg nach München kommt. Leute kaufen so ein Auto nicht, weil sie Experten auf dem Gebiet sind, sondern weil sie normale Fahrer sind. So ist das bei uns auch.

Was denken Sie, wenn Sie Menschen sehen, die Taittinger trinken?

Ich bin da wie ein kleines Kind, sehr glücklich, überrascht. Aber ich bin auch gestresst, weil mir die Reaktion der Leute wichtig ist.

So oft werden die Mundwinkel wohl nicht nach unten gehen.

Ich kann mich nicht daran erinnern, hoffe aber, dass das auch passiert. Wenn alles zu 100 Prozent perfekt ist, kann es nicht wahr sein.

Ihre billigste Flasche kostet rund 40 Euro. Ist der Preis gerechtfertigt?

Bei einem Symbol der Liebe kalkuliert man nicht. Der Preis variiert und hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Etwa, wie lang das Produkt gelagert wird oder was in einem Wein drinnen ist. Für 40 Euro bekommt man auf jeden Fall guten Champagner und gute Momente. Das ist das, was zählt. Wir alle haben so etwas wie eine süße Sünde. Man mag Zigaretten, Schuhe, Taschen oder auch Champagner.

Taittinger hat eine lange Tradition. Das Champagnerhaus ist eines der wenigen, die noch in Familienbesitz sind und nicht zu einem Großkonzern gehören. Was bedeutet das für Sie?

Man trägt die Schuhe, die für einen gemacht sind. Man kann sie größer oder weiter machen. Man sollte aber glücklich sein mit dem, was man hat. Ich bin stolz auf das, was getan wurde. Aber ich finde auch, dass man nicht an der Vergangenheit festhalten und seine eigenen Ambitionen haben sollte.

Ist es ein Problem für Taittinger, dass andere Unternehmen größer sind und mehr Geld haben?

Geld ist eine Sache, aber sicher nicht die einzige. Intelligenz oder Kreativität sind auch sehr wichtig. Was ebenso zählt, ist Disziplin und Organisation.

Ist es schwierig, mit der Familie zu arbeiten?

Es ist sicher nicht schwieriger als in anderen Firmen, manchmal aber vielleicht leichter. Die Familie hat Qualitäten, und sie hat Mängel, genauso wie ich. In einer Familienfirma hat man die freie Rede, das ist ein Vorteil. Aber wenn man schlechte Leute in ein Unternehmen steckt, kann es das Klima überall vergiften.

Sie haben ihre Karriere eigentlich im Finanzsektor begonnen. Wollten Sie Banker werden?

Nein, ich war Consultant. Der erste Job, den man macht, ist eben der, der verfügbar ist. Man bekommt Geld und sammelt Erfahrungen. Man sollte sich die Zeit nehmen, etwas anderes gesehen zu haben.

Warum sind Sie in den Familienbetrieb gewechselt?

Nach einem Erbrechtsstreit wurde Taittinger verkauft. Später wurde die Firma zurückgekauft. Mein Vater hat mich dann gefragt, ob ich ins Unternehmen kommen will. Er meinte, er brauche junges Blut und einen Taittinger, um die Tradition fortzusetzen. Ich habe es als Mission für die Firma und für meinen Vater gesehen. Es war Verpflichtung und Leidenschaft zugleich.

Welche Bedeutung hatte dieser Rückkauf für Sie?

Zu dieser Zeit habe ich die Tragweite der Entscheidung noch nicht begriffen. Es gibt heute viele Menschen, die sich auf mich verlassen, auf mich zählen. Wenn man außerhalb eines Unternehmens steht, sieht man das nicht. Aber jetzt, da ich gemeinsam mit meiner Schwester Teil der Firma geworden bin, merke ich, dass man nie für sich selbst, sondern eher für andere arbeitet.

Sind Sie deswegen unter Druck?

Ja, natürlich. Es ist ein Druck zu verkaufen, besser zu sein, zu reisen, innovativ zu sein, Sachen zu kreieren, Banken zu bezahlen.

Haben Sie schlaflose Nächte?

Ja, wenn ich auf Partys gehe (lacht).

Aber gibt es die Angst, falsche Entscheidungen zu treffen?

Manchmal schon. Man hat die Befürchtung, die Kontrolle zu verlieren, wenn Dinge zu schnell gehen. Manchmal ist es aber auch besser, das Pferd laufen zu lassen, nicht zu viel einzugreifen und abzuwarten, wo die Reise hingeht.

Und wo geht sie hin?

Die Zukunft der Marke sehe ich darin, weiterhin guten Wein zu machen. Ich habe aber keine unerreichbaren Ambitionen. Das, was ich nicht möchte, ist, der Frankenstein des Champagners zu werden.

In Österreich zeigen Vermögende ihren Reichtum nicht, weil sie mit Neid konfrontiert werden. Wie ist das in Frankreich?

Hier ist es das Gleiche, vielleicht etwas besser. Wir alle brauchen Geld, um zu überleben. Jeder sollte anderen gegenüber Respekt zeigen, unabhängig vom Vermögen. Geld war nie ein Wert für mich, ich wünschte, es könnte für andere auch so sein. Deswegen fürchte ich weder Eifersucht noch Neid.

Ist Geld wichtig für Sie?

Ja, es ist extrem wichtig, weil man sein Essen bezahlen muss. Aber es ist keine Obsession. Wenn ich keinen so netten Job hätte wie jetzt, dann wäre ich auch bereit, Taxi zu fahren, um meinen Kindern die Ausbildung zu finanzieren. Geld ist nicht das Zentrum meines Lebens.

Und was bedeutet Luxus für Sie?

Alles und nichts. Um ehrlich zu sein, hat man mir diese Frage schon oft gestellt. Heute sage ich Ihnen: Ich weiß es nicht. Mein Traum wäre ein Buchgeschäft ohne Kunden, in dem ich alle Bücher selbst lesen kann.

Klingt nicht unrealistisch.

Das Gras ist anderswo immer grüner. [ Foto: Beigestellt ]

ZUR PERSON

Clovis Taittinger (*1978) entstammt der französischen Taittinger-Dynastie. Gemeinsam mit seiner Schwester Vitalie und seinem Vater Pierre-Emmanuel leitet er das Champagnerhaus Taittinger, eines der wenigen, die noch in Familienbesitz sind. Im Zuge eines Erbstreits wurde Taittinger samt einiger Hotels 2005 an die US-Gesellschaft Starwood verkauft. Kurze Zeit später holte sich Pierre-Emmanuel das Unternehmen mithilfe der Banken wieder zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2014)

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