Ökonom Schlegelmilch: "Österreich verliert an Attraktivität"

Bodo Schlegelmilch
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"Markt und Wettbewerb haben in Österreich einen fast schlechten Ruf“, sagt Bodo Schlegelmilch, der Dekan der WU Executive Academy.

Die Presse: Sie sind in Köln geboren, haben in den USA, in Großbritannien und in Deutschland gearbeitet. Seit 17 Jahren sind Sie nun in Österreich. Wagen Sie einen Vergleich?

Bodo Schlegelmilch:
Nachdem man mir auch nach der langen Zeit anhört, dass ich kein Original-Österreich bin, muss ich, wenn ich Österreich kritisiere, immer betonen, dass ich mich hier sehr wohl fühle. Ich habe alle Angebote, die aus dem Ausland kamen, abgesagt, weil es mir hier so gut gefällt.

Nach dieser Hymne zum kritischen Part: Welche Rolle spielt Österreich im globalen Kontext?

Der globale Kontext ist schnell abgehandelt, weil Österreich da kaum eine Rolle spielt. Wenn Sie bei internationalen Meetings der UN oder G20 Österreich suchen, dann meist vergeblich.

Was auch mit der Größe unseres Landes zu tun haben mag.

Natürlich. Man muss sich als kleiner Player seiner Grenzen durchaus bewusst sein. Auf der anderen Seite gibt es viele österreichische Firmen, die global tätig und auch sehr gut sind. Es gibt also für Unternehmen immer wieder die Möglichkeit, erfolgreich zu sein. Auf politischen Ebene muss man aber zur Kenntnis nehmen, dass es 33 Mega-Citys gibt, die mehr als zehn Millionen Einwohner haben, in China alleine gibt es 160 Städte mit mehr als einer Million Einwohner. In diesem Kontext gefällt mir ein Zitat einer Managerin eines österreichischen IT-Unternehmens: „Mein Umsatz in Österreich ist ein Rundungsfehler hinter dem Komma. Warum soll sich also ein CEO mit Sitz in den USA mit mir überhaupt unterhalten.“ Das spiegelt die Tatsachen wieder, wir sind global gesehen nicht so wichtig.

Veranstaltung

"Wirtschaft Wissenschaft Unplugged" ist eine Kooperation von "Presse", Erste Group und Wirtschaftsuniversität Wien. Am 29. Oktober diskutieren Bodo Schlegelmilch, Dekan der WU Executive Academy, und Telekom-Chef Hannes Ametsreiter über die EU-Wirtschaftspolitik. „Presse“-Chef Rainer Nowak moderiert.

>>>Anmeldung: diepresse.com/unplugged

Und auf EU-Ebene?

Hier haben wir im Vergleich eine gewichtigere Rolle. Allerdings ist die EU selbst nicht sorgenfrei. Im Jahr 2000 wurde vom Vorsitz des Europäischen Rates großartig die Lissabon-Agenda verkündet. Das Ziel war, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen“ und zwar bis 2010! Nun, 2010 hatten wir bereits. Irgendwie haben wir da etwas verpasst, jedenfalls ich und viele andere haben davon nichts bemerkt.

Dafür gibt es jetzt eine neue Wachstumsstrategie.

Ja, wie das in der Politik so ist. Nun gibt es eine neue, die bis 2020 zu einem intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstum führen soll. Etwas zynisch könnte man anmerken, dass diese neu genannten Ziele nicht so messbar sind, wie jene für 2010. Die Formulierung ist eher wischiwaschi. Dabei hat die EU massive Herausforderungen zu bewältigen.

Welche?

Es fängt damit an, dass wir in den einzelnen Ländern eine massive Schuldenlast haben, dass die Maastricht-Kriterien en gros missachtet werden, in vielen EU-Ländern gibt es superhohe Abgaben. Als Single trägt man in Österreich eine Abgabenlast von 49,1 Prozent. Der OECD-Schnitt liegt bei 39 Prozent Einkommensteuer, in der Schweiz sind es 22. Das führt dazu, dass die Länder mit dem Rücken zur Wand stehen. Die Steuern können nicht erhöht werden und die Schuldenlast ist dennoch massiv. So ist es schwierig staatliche Investitionen zu machen. Quantitative Lockerungen sind zwar eine Möglichkeit, sich Luft zu verschaffen, sie ersetzten aber keine Strukturreformen, die dringend von Nöten wären.

Sie haben die hohen Steuern in Österreich angesprochen. Für internationale Unternehmen Argument, sich hier nicht niederzulassen.

Die Steuerpolitik ist ein Grund, weshalb Österreich als Wirtschaftsstandort kontinuierlich an Attraktivität verliert. Das lässt sich durch Umfragen, etwa der American Chamber of Commerce, belegen. Ein anderer ist, dass Markt und Wettbewerb hier einen fast schlechten Ruf haben. Wenn man an die Ladenschlusszeiten, Zwangsmitgliedschaften in den Kammern, das durchschnittliche Pensionsalter von 59 Jahren oder die Forderungen der Grünen denkt, Arbeitslose mögen auch einen Urlaubsanspruch haben, fragt man sich schon: Wie kann das sein?

Was muss passieren, um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu verbessern?

Wichtig ist Ausbildung und Innovation. Laut OECD gibt Österreich für Bildung weniger aus als der OECD-Schnitt. Wenn wir als kleines Land wirtschaftlich bedeutend sein wollen, dann muss das Bewusstsein geschärft werden, dass Ausbildung ein wichtiger Hebel ist, mit dem wir im Ausland punkten können. Und zur Innovation: Die Entwicklung geht, wenn man sich die Statistiken seit 1999 ansieht, nett bergauf. Insofern kann man österreichischen Firmen und Forschungseinrichtungen ein Kompliment machen. Wir sind als Innovatoren nicht schlecht, – ausruhen sollten wir uns auf diesen Lorbeeren dennoch nicht.

Zur Person

Bodo Schlegelmilch ist Leiter des Institute for International Marketing Management an der WU-Wien. Er ist Dekan der WU Executive Academy. Seit 17 Jahren lehrt er in Wien, zuvor hat er in den USA, Großbritannien, Deutschland und Asien gearbeitet. Sein wissenschaftlicher Fokus liegt auf global marketing management and strategy.

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