Guido Schmidt-Chiari: Der Mann, dem die Turnauers vertrauten

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Guido Schmidt-Chiari war CA-Chef, ehe er Berater der Familie Turnauer wurde. Die ist von seiner Arbeit eher nicht angetan.

Nichts als Ärger. Trotzdem macht Guido Nikolaus Schmidt-Chiari einen sehr gefassten Eindruck. Die Frage nach seinem Befinden muss mehrmals gestellt werden – erst dann lässt er sich, sehr zögerlich, zu einer Antwort hinreißen: „Naja“, sagt er, „man fragt sich schon: Hat man das nötig gehabt?“

Da befindet er sich zweifelsohne in bester Gesellschaft. Auch Christine de Castelbajac, Tochter des vor neun Jahren verstorbenen Industriellen Herbert Turnauer, hadert dieser Tage mit dem Schicksal. Denn so wie es aussieht, hat sie beste Chancen, ihr gesamtes Erbe zu verlieren. Und das war wirklich stattlich.

Zwei Menschen, eine Geschichte. Eine für beide höchst unangenehme Geschichte: Es geht um eine Milliardenerbin und um ihren Berater, immerhin einst Generaldirektor der altehrwürdigen Creditanstalt. Es geht um Vertrauen und Enttäuschung, es geht um Freundschaft und deren Ende. Und ein mögliches Wiedersehen vor Gericht.

Hat Christine de Castelbajac „das nötig gehabt“? Die einst feudale Constantia Privatbank musste um einen symbolischen Euro notverkauft werden. Und die ebenfalls von ihr geerbte Verpackungsgruppe Constantia Packaging droht aufgrund von Millionenforderungen von Immofinanz und Immoeast den Bach runterzugehen.

Hat Guido Schmidt-Chiari „das nötig gehabt“? 76 Jahre ist der einst honorige CA-Generaldirektor alt. Und muss plötzlich gegen ein immenses Imageproblem ankämpfen. „Ich habe in der Constantia Privatbank niemals eine Funktion bekleidet“ – darauf legt er Wert. Stimmt schon. Er sitzt allerdings in den Aufsichtsräten von Immofinanz und Constantia Packaging. Und bis vor einem Monat saß er, als Vertrauter der Familie Turnauer, im Vorstand von Herbert Turnauers Privatstiftung.

Wie kommt es, dass ein renommierter Manager wie Schmidt-Chiari angesichts der seltsam verworrenen Konstruktion der Firmengruppe nicht Alarm geschlagen hat? De Castelbajac, die sich nie sonderlich für profane Dinge wie die Wirtschaft interessiert hat, geschweige denn einen Durchblick hatte, hat sich offenbar auf die Wirtschaftsexpertise von Schmidt-Chiari verlassen. Das hat sie jetzt davon. Sie fühlt sich mittlerweile von ihrem „Berater“ ziemlich im Stich gelassen. Ihre Rechtsberater raten ihr, zu klagen.

Doch das ist alles nicht so einfach. De Castelbajac, die allgemein als sehr zurückhaltende, höfliche Dame beschrieben wird, ist in der Zwickmühle: Schmidt-Chiari hatte nach dem Tod ihres Vaters die Rolle des väterlichen Freundes übernommen. Weil ja auch weiland Herbert Turnauer jahrelang ein tiefes Vertrauensverhältnis zu dem Banker gehabt hatte.

Schmidt-Chiari weiß daher, wie er „Christl“ unter Druck setzen kann: Als eine Zeitung unlängst von einer drohenden Klage gegen ihn berichtete, ließ er de Castelbajac wissen, dass dies mit dem ungeschriebenen Ehrenkodex in vornehmen, betuchten Kreisen nicht vereinbar sei. Das hat wohl gewirkt, weil jetzt liest Schmidt-Chiari genüsslich aus einem Brief von ihr vor. Darin teilt die Turnauer-Erbin ihm mit, „dass ich niemanden beauftragt habe, Dich zu belangen.“

Vornehme Zurückhaltung – das war bei Turnauers immer schon oberstes Gebot. Herbert Turnauer hatte ja überhaupt ein Faible für „Aristokraten“. Und das war letztlich auch der Grund, wieso er Guido Schmidt-Chiari so zugetan war. Immerhin ist der mit Stephanie Gräfin Strachwitz von Gross-Zauche und Camminetz verheiratet. Deren Mutter war Marie Therese Prinzessin von und zu Liechtenstein. Schmidt-Chiari selbst kommt auch aus angesehener Familie: Sein Vater, Guido Schmidt, war Außenminister in der Ersten Republik. Der zweite Teil seines Doppelnamens kam durch Adoption einer Tante mütterlicherseits aus mährischem Beamtenadel zustande.

Ein einwandfreier familiärer Background also. Dazu kam aber noch eine andere Marotte Turnauers: Im Laufe der Jahre war er immer misstrauischer und verbissener geworden. Wer ihn einmal „enttäuscht“ hatte, war bei ihm für immer und ewig unten durch. Gleichzeitig hatte er einen ausgeprägten Hang zu Menschen, denen seiner Meinung nach grobes Unrecht widerfahren war.

Als Turnauers Manager Josef Taus 1989 den Konzern im Streit verließ, räumte der alte Herr also zunächst einmal ordentlich auf: Sogar die Geschäftsbeziehungen zur (von Taus bevorzugten) Girozentrale und der „Ersten“ wurden abgebrochen. Er wandte sich an die CA.

Dort war gerade Schmidt-Chiari Chef geworden. Endlich. Zuvor hatte er ja die „Schmach“ ertragen müssen, den roten Hannes Androsch vor die Nase gesetzt zu bekommen. Zwischen dem sparsamen Vorarlberger Schmidt-Chiari und dem gleichermaßen sparsamen Industriellen Turnauer entwickelte sich also eine Freundschaft.

Dazu hatte der Banker ein gewisses Talent: Auch mit der mittlerweile verstorbenen Harriet Hartmann, seinerzeit Eigentümerin des Papierkonzerns Frantschach, hatte er ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Er wurde ihr Berater.

Als die CA schließlich Anfang 1997 an die „rote“ Bank Austria verkauft wurde, trat Schmidt-Chiari zurück. Er war also sozusagen das „Opfer“ der Transaktion. Und siehe da: Flugs wurde er offizieller Berater von Herbert Turnauer. Der Nicht-mehr-Banker übernahm den Aufsichtsratsvorsitz der beiden Turnauer-Konzerne und wurde Vorstand der Turnauer-Privatstiftung.

Dass Karl Petrikovics kurze Zeit später in Immofinanz und Constantia Privatbank die Macht übernommen hat, war natürlich Turnauers Entscheidung. Schmidt-Chiari hat ihn aber jedenfalls in der Entscheidung bestärkt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Petrikovics, Anleger bereiten eine Sammelklage vor. Gut, dass Herbert Turnauer das nicht mehr erleben muss.

Nachdem Turnauer im Jänner 2000 starb, wurde das Imperium auf seine zwei Kinder aufgeteilt: Sohn Max Turnauer bekam die Constantia Industries (Platten, Isolierstoffe). Tochter Christine wurde der Verpackungskonzern und die Privatbank zugesprochen. Schmidt-Chiari, Aufsichtsrat in beiden Konzernen, musste sich entscheiden. Er blieb der Tochter treu. Damals war sie darob wohl sehr erleichtert.

Heute ist sie von ihm schwer enttäuscht, die Gesprächsbasis auf das Notwendigste reduziert. Ob sich Schmidt-Chiari noch als „Freund der Familie“ empfindet? Seine Antwort sagt alles: „Ich sehe das als geschäftliche Beziehung. So etwas muss man trennen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2008)

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