Väterchen Wlad, der lupenreine Liberale

Russlands Premier Putin warnte in Davos vor „ausufernden staatlichen Eingriffen“ in die Wirtschaft. Das ist fein – und ganz schön frech.

Jedes Jahr darf ein besonders wichtiger Mensch den vielen anderen wichtigen Menschen am Weltwirtschaftsforum in Davos erklären, wo es langgeht in der Welt der Wirtschaft. Heuer fiel die Wahl für den Eröffnungsredner originellerweise auf Wladimir Putin – einen bekannt subtilen Analytiker ökonomischer Zusammenhänge. Und wir wurden nicht enttäuscht: Der russische Premier warnte vor Protektionismus und staatlichen Interventionen in die Wirtschaft.

Charmant. Immerhin hat der Ex-KGB-Agent in seinen acht Jahren als Präsident so ziemlich alles zwangsverstaatlicht, was ihm unter die Finger kam. Lenin wäre stolz auf seinen Schüler: Gazprom, Jukos, der Bergbau – die Hälfte des russischen Firmenvermögens ist wieder fest in der Hand des Kreml. Nett sind auch Staatskorporationen, bei denen die Politik das Sagen hat, aber nicht für Schulden haftet. Gut berechenbar für Investoren, aber die werden ja nur dann ins Land gelassen, wenn es dem Staat passt.

Nur fair ist es jedenfalls, dass Putin im Gegenzug auch private Interventionen in den Staat nicht so toll findet. Deshalb landen nicht Kreml-hörige Industrielle im Gefängnis, Demonstranten im Krankenhaus und Journalisten im Grab.

Fragt sich nur, welcher Teufel die Davoser Organisatoren bei ihrer Programmgestaltung geritten hat. Vielleicht hat ihnen ja Moskau mit Gasentzug gedroht – auf 1560 Meter Höhe kann es ziemlich kalt werden. Macht nichts, denn nun wird uns dank Putins wundersamer Wandlung ganz warm ums Herz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2009)

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