Schlechtes Beispiel Österreich

Österreichs Image in Davos leidet: Weil an den falschen Stellen gespart wird.

Er hat es nicht auf unser Land gemünzt, jener argentinische Topmanager, der beim Weltwirtschaftsforum in Davos Österreich als negatives Beispiel zitierte: „...und in dieser Situation beginnen die Staaten an der falschen Stelle zu sparen; Österreich möchte sogar seine Forschungsausgaben signifikant reduzieren.“ Wie er von dieser aktuellen Diskussion in Österreich erfuhr, ist mir nicht bekannt, aber Dummheiten von vermeintlich erfolgreichen Staaten sprechen sich schnell herum.

Allgemeine Meinung in Davos ist, dass traditionelles Denken uns nicht aus der Krise führen wird. Ausgaben für Stimulierung der Wirtschaft durch Einsparung bei der Forschung ausgleichen zu wollen ist gerade jetzt das Dümmste, das man machen kann. „Bold programs“, also mutige Programme vonseiten des Staates, ist das viel zitierte Wort. Sogar die sparsame Angela Merkel hat vor einigen Tagen einen mutigen Ansatz gewählt, plant das höchste Staatsdefizit der Nachkriegszeit (sogar mehr als nach der Wiedervereinigung) – und wird dafür gelobt. Präsident Putin kündigte bei seiner Eröffnungsrede in Davos an, verstärkt ausländische Forscher nach Russland holen zu wollen. Und der Schweizer Bundespräsident spricht von einer „opportunity for innovation“.

Diejenigen Unternehmen und Staaten, die jetzt richtig – also nicht traditionell – handeln und investieren, werden gestärkt aus der Krise kommen; jene, die in dieser Situation falsche Prioritäten setzen, werden ihre Fehlentscheidungen lange verdauen müssen. An der Forschung zu sparen ist so eine schwer verdauliche Fehlentscheidung – genau wie die eines Vaters, der seinem Kind nicht die bestmögliche Ausbildung zukommen lässt. Wir alle wissen: Später lernt es Hänschen nimmermehr! Ebenso können wir Forschung nicht verschieben, denn die Forschungsausgaben des Staates lenken viele Lebensläufe hoch qualifizierter und örtlich flexibler Menschen, jener wohlstandssichernden Ressource, die wir künftig immer dringender brauchen und die aufgrund der Demografie immer knapper wird. Spart man an ihnen auch nur ein Jahr, verschwinden sie woanders hin, nehmen ihr Know-how mit, der Wirtschaftsstandort leidet jahrzehntelang, und unsere Anstrengungen des letzten Jahrzehnts verpuffen.

Forschungsquote erhöhen

Der Chef eines der führenden österreichischen Konzerne sagte mir vor Kurzem: „Wir nützen die Krise, um hier und heute mit unseren Mitarbeitern Innovationsprogramme zu starten. Während andere ins Krankenhaus gehen, tanken wir Kraft im Fitnessstudio.“ Genau so hat der Wirtschaftsstandort Österreich alle Chancen, in zwei, drei Jahren als einer der Gewinner dazustehen (obwohl auch wir den Orkan noch intensiv spüren werden). Relativ zu den meisten anderen Ländern ist unsere Wirtschaft gesund und unser Staat finanzkräftig. Anstatt an der Forschung zu sparen, müssen wir gerade jetzt unsere Forschungsquote weiter erhöhen, absolut und auch relativ auf 2,9, ja auf drei Prozent des BSP. Verschrottungsprämien für Autos und vorzeitige Abschreibung für Maschinen sind gut, aber es muss sie auch für Forschung geben, entsprechend dem Motto: „Verschrottet euer ausgedientes Wissen; wir helfen euch, Neues zu generieren!“ Dann kann die Krisensteuerung der österreichischen Politik in der Rückschau als positives Beispiel dienen.

DDr. Manfred Reichl war Österreich- und Osteuropa-Chef von Roland Berger Strategy Consultants. Er ist Senior Adviser beim World Economic Forum/Davos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2009)

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Kommentare

Väterchen Wlad, der lupenreine Liberale

Russlands Premier Putin warnte in Davos vor „ausufernden staatlichen Eingriffen“ in die Wirtschaft. Das ist fein – und ganz schön frech.

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