Eine Schicksalsfrage für die Nato

Obama fordert gerechtere Teilung der Lasten des Afghanistan-Engagements.

WIEN. Barack Obama will die europäischen Nato-Verbündeten bei der Befriedung Afghanistan noch mehr in die Pflicht nehmen – und Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer unterstützt den US-Präsidenten bei diesem Ansinnen: „Ich kann einfach nicht akzeptieren, dass die USA in Afghanistan allein die Dreckarbeit machen. Europa muss sich auch bewegen – mit mehr Soldaten oder, wenn dies nicht möglich ist, mit zivilen Hilfen“, erklärte der Nato-Chef zuletzt in Brüssel. Europa müsse Bereitschaft zeigen, „der Partner zu sein, nach dem die neue US-Regierung sucht“.

Die Regierungen europäischer Nato-Staaten richten sich darauf ein, dass der Druck aus Washington, sich an einer gerechten Lastenteilung in Afghanistan zu beteiligen, größer werden wird. Das kann heikel werden – angesichts einer kritischen öffentlichen Haltung zum Afghanistan-Engagement in vielen europäischen Staaten und angesichts verstärkter budgetärer Zwänge wegen der sich verschärfenden Wirtschaftskrise.

Immerhin: Frankreich, Deutschland und Polen haben sich bereits im vergangenen Jahr zu einer Erhöhung ihrer Truppenstärke in Afghanistan bereiterklärt, lobte der britische Außenminister David Milliband bei einem Vortrag in London. Aber Afghanistan-Kenner weisen darauf hin, dass die derzeit angekündigten Truppenverstärkungen vor dem Hintergrund der immer aggressiver kämpfenden Taliban nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein könnten.

Neue Strategie gefragt

Der deutsche General Egon Ramms, der vom niederländischen Brunssum aus das Nato-Einsatzkommando leitet, hat deshalb schon eine Änderung der Strategie vorschlagen: Konzentration des Einsatzes auf die bevölkerungsreichen Regionen Afghanistans, Aufnahme von Verhandlungen mit einheimischen Aufständischen.

Zur Lastenteilungsdebatte kommt also auch eine amerikanisch-europäische Strategiediskussion. Bei der Münchener Sicherheitskonferenz Ende dieser Woche erhofft man sich von US-Vizepräsident Joe Biden erste Aufschlüsse darüber, was die Obama-Regierung von den europäischen Nato-Partnern in Afghanistan erwartet. Auf dem Nato-Jubiläumsgipfel Anfang April in Straßburg/Kehl wird Obama selbst kundtun, was er in Afghanistan vorhat.

Wenn die Europäer sich den US-Rufen nach einer gerechteren Lastenteilung in Afghanistan widersetzen, werde Feuer am Dach der Nato ausbrechen, warnen Analytiker: „Denn wenn die Europäer keine gemeinsame kooperative Strategie mit den Amerikanern finden, was für einen Sinn hat die Nato dann noch?“, fragt Bob Jackson vom Londoner Chatham House.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2009)

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