Der umstrittene Bischof der Piusbruderschaft will erst „Beweise prüfen“, bevor er den Massenmord an sechs Millionen Juden anerkennt.
FRANKFURT/JERUSALEM(ag.). Eigentlich war Richard Williamson vom Vatikan klar zur „unmissverständlichen Distanzierung“ von seinen bisherigen Thesen zum Holocaust aufgefordert worden. Doch der Bischof der ultrakonservativen Piusbruderschaft will nach wie vor nicht anerkennen, dass im Zweiten Weltkrieg sechs Millionen Juden ermordet wurden.
„Ich muss nun alles nochmals prüfen und mir die Beweise ansehen“, meinte er nun in einem Interview mit dem „Spiegel“. „Wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren, aber das braucht Zeit.“ Der Brite Williamson hatte vor einigen Wochen in einem Fernsehinterview die Existenz von Gaskammern geleugnet. Zudem seien nicht sechs Millionen, sondern nur 200.000 bis 300.000 Juden ermordet worden – aber keiner von ihnen in Gaskammern, behauptete der Bischof der Piusbruderschaft.
Papst spricht mit Merkel
Papst Benedikt XVI. hatte mit der Wiederaufnahme Williamsons und der anderen Angehörigen der Piusbruderschaft in die Katholische Kirche für heftige Kritik gesorgt. Schließlich verlangte der Vatikan von Williamson die Holocaust-Aussagen zu widerrufen und von der Bruderschaft, das Zweite Vatikanische Konzil anzuerkennen. Auch Letzteres will Williamson offenbar nicht tun: Die Konzilstexte seien zweideutig und würden zu „theologischem Chaos führen“.
Der Fall Williamson hatte zuletzt auch zu einer Verstimmung zwischen dem Vatikan und der deutschen Bundesregierung geführt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Papst nämlich öffentlich ermahnt, in der Causa eine klarere Haltung einzunehmen. Am Sonntag führten beide laut Vatikan ein „konstruktives“ Telefongespräch.
Israels Großrabbinat stellte am Sonntag klar, den wegen der Auseinandersetzung um Williamson abgebrochenen Dialog mit dem Vatikan wieder aufzunehmen.
Meinung Seite 27
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2009)