Bischof Kapellari: „Aus dem jetzigen Konflikt lernen“

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Der steirische Diözesanbischof will die Krise weder kleinreden noch ins Gigantische projizieren.

Die Presse: Enttäuschungen, Proteste, Austritte: Wie kann die katholische Kirche in Österreich der aktuellen Krise begegnen?


Egon Kapellari: Wir sollten christliche Realisten sein und eine Krise weder kleinreden noch ins Gigantische projizieren. Wir haben Probleme im Kontext der Weltkirche im Zusammenhang mit dem Umgang der Kirche in Rom mit der Lefebvre-Bewegung und deren ungeheuren Beleidigungen des Judentums. Entstörungen durch Rom sind aber in vollem Gang. Zweitens haben wir ein Problem in Österreich, ausgelöst durch die Bestellung eines neuen Weihbischofs für Linz.

Eine Bestellung, die überraschend kam.


Kapellari: Sie kam überraschend für den größten Teil der Öffentlichkeit. Sie wurde dem Bischof von Linz nicht oktroyiert, aber sie war eine Entscheidung, die der Papst selbst getroffen hat. Ich selbst begegne dem neuen Bischof selbstverständlich brüderlich mit einem Vertrauensvorschuss.

Jetzt wurde Gerhard Maria Wagner die Mahnung erteilt, sich bis zur Bischofsweihe mit öffentlichen Äußerungen zurückzuhalten.


Kapellari: Das ist vernünftig, weil es sich hier nicht um einen Diözesanbischof handelt, sondern um einen Weihbischof oder Auxiliarbischof, also einen Hilfsbischof. Und die Rolle jedes Weihbischofs ist es, dem Diözesanbischof beizustehen und ihm nicht öffentliche Vorgaben zu machen. Das zumal in einer Diözese, von der wir wissen, dass sie seit langer Zeit zwei sehr ausgeprägte gegensätzliche Flügel hat. Es ist die Aufgabe eines Bischofs, diese beiden Flügel in eine hilfreiche Balance zu bringen.

Wie soll diese Balance ausschauen?


Kapellari: Ich habe schon als Studentenpfarrer oft gesagt: Frieden entsteht auch durch Aufklärung. Das heißt transparente Information. Wer an der Kirche leidet, hat eine Holschuld an Information, und die Kirchenleitung hat eine diesbezügliche Bringschuld. Man muss dem einem wie dem anderen Flügel der Kirche sagen: Wir haben eine gemeinsame Mitte und eine gemeinsame Wurzel, und das ist Christus. Wenn eine Gruppe diese Mitte verlässt, dann schadet sie sich selber.

Kurienkardinal Walter Kaspar hat davon gesprochen, dass sich die Kirche selbst fragen muss: Was machen wir falsch? Wie schaut da die Antwort aus Österreich aus?


Kapellari: Erstens machen wir immer wieder Fehler. Es ist ein Dauerauftrag, selbstkritisch zu sein. Es gab sicherlich auch Fehler in der Vergangenheit in Österreich, die dazu geführt haben, dass die Flügel in der Kirche – progressiv und konservativ – sehr stark ausgeprägt sind. Wie ich gesagt habe, hat man als eine der Voraussetzungen Informationspflicht, und diese haben beide Flügel.

Es wird befürchtet, dass die nächsten anstehenden Bischofsernennungen einen äußerst konservativen Charakter haben werden, dass es zu massiver Ablehnung kommen kann.


Kapellari: Ich bin kein Wahrsager, aber ich möchte darauf hinweisen, dass die letzten fünf oder sechs Bischofsernennungen in Österreich alle ohne jeden Konflikt vor sich gegangen sind. Wir haben in Österreich aus Konflikten, die 20 Jahre zurückliegen und uns sehr wehgetan haben, gelernt, auch Rom hat gelernt. Ich denke, dass man auch aus dem jetzigen Konflikt lernen wird. Man soll nicht Phantome beschwören.

Die Zahl der Katholiken ist in den letzten 25 Jahren in Österreich drastisch gesunken, jetzt gibt es wieder eine Welle von Austritten.


Kapellari: Eine Reduzierung der Zahl der Katholiken und Christen überhaupt ist in den letzten Jahrzehnten in Mittel- und Westeuropa ein Trend. Aber bleiben wir in Österreich: Die Christen insgesamt sind weniger geworden, durch Immigration, durch Geburtenrückgang und durch Austritte. Aber ich möchte doch mit Nachdruck sagen: Die katholische Kirche ist und bleibt die allergrößte Gemeinschaft in Österreich. Es ist schon kurios, dass man uns einzureden versucht – auch vonseiten mancher Medien –, dass wir eine Minderheit sind oder demnächst werden. Ich rede nicht schön und klein. Aber den größten Anteil an der Verkleinerung hat die Säkularisierung, wie sie in allen westlichen Ländern in Gang ist.

Soll nicht auch die Kirche aggressiver oder kämpferischer werden?


Kapellari: Das Wort aggressiv würde ich zurückweisen. Die Kirche muss konturierter werden. Ich habe einmal gesagt: Wir müssen fundamentaler werden. Damit meine ich nicht fundamentalistisch. Fundamentaler heißt, mehr Profil haben, mehr Tiefe, auch mehr Selbstbewusstsein.

Gerhard Maria Wagner hat mit seiner Aussage, dass Homosexualität eine Krankheit sei, scharfe Proteste ausgelöst. Ist Homosexualität eine Krankheit?


Kapellari: Ich bin kein Mediziner oder Psychologe. Aber ich kann sagen, dass die Kirche, dass der Weltkatechismus dazu sagt: Die Christen sind verpflichtet, homosexuell geneigten oder auch praktizierenden Personen nicht diskriminierend zu begegnen. Zweitens hat der Katechismus prinzipiell erklärt, dass ausgelebte Homosexualität Sünde sei. Das kann man als Katholik nicht ignorieren. Das bedeutet auch, dass wir dem Versuch, Ungleiches gleich zu benennen und gleich zu behandeln – nämlich Ehe einerseits und homosexuelle Partnerschaften andererseits – als Katholik entschieden widerstehen.

Da geht es um das Zusammenleben Homosexueller in einer alternativen Lebensform.


Kapellari: Ich habe immer gesagt: Respekt vor derart geneigten Personen und Toleranz gegenüber jenen, die das praktizieren, obwohl wir es nicht billigen können. Aber auch Widerstand gegen die Versuche, solche Partnerschaften gleich zu benennen wie heterosexuelle Partnerschaften und gleich zu bewerten. Das Wort Ehe ist in diesem Zusammenhang für uns unangebracht. Wenn man aber ungeschickt redet und sozusagen in die Grube einer Simplifizierung fällt, dann ist es kein Wunder, dass die Leute einen prügeln, ohne gehört zu haben, was hinter der vermittelten Botschaft an Realität steht.

Die Aussage des designierten Weihbischofs Wagner war also ungeschickt?


Kapellari: Ich kann nicht sagen, dass Homosexualität eine Krankheit ist. Ich würde sagen: Die Neigung ist mit Respekt zu behandeln, und die Praxis kann von uns moralisch nicht gebilligt werden.

Angesichts der aktuellen Situation: Was erfüllt Sie mit Hoffnung?


Kapellari: Die Kirche ist ein unsinkbares Schiff.

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