Lebensende: Der „letzte Wille“ fehlt oft

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Zum Auftakt der parlamentarischen Enquete-Kommission zeigt eine Untersuchung: Die Österreicher nutzen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht kaum.

Wien. Es ist etwas paradox: Man hört dieser Tage oft, dass sich die Österreicher mehr Selbstbestimmung beim Sterben wünschen, doch gleichzeitig werden die vorhandenen Möglichkeiten kaum genutzt. Das zeigt eine aktuelle Evaluierung des Wiener Instituts für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) im Auftrag des Gesundheitsministeriums.

Demnach hat sich die Zahl jener, die via Patientenverfügung vorab regeln, welche lebenserhaltenden Maßnahmen sie am Lebensende nicht wollen, seit der ersten Evaluierung 2009 nur minimal verändert: Damals lag der Anteil knapp unter vier Prozent, wobei aber großzügig jede schriftliche Äußerung gezählt wurde. Noch unbeliebter ist die Vorsorgevollmacht, mittels derer man für den Fall, dass man selbst keine Entscheidungen mehr treffen kann, diese einer Vertrauensperson (oder mehreren) überträgt. Nur zwei Prozent nutzen diese Option.

Zu teuer, zu bürokratisch

Warum das so ist und wie man das ändern kann, wird sich auch die parlamentarische Enquete-Kommission zum Thema „Sterben in Würde“ fragen, die heute, Freitag, mit einer öffentlichen Sitzung startet. Schon vorab gibt es eine breite Forderung nach einer Vereinfachung der beiden rechtlichen Instrumente. Denn: „Würden die Menschen die legalen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung besser nutzen, würden wir weniger über Tötung auf Verlangen oder Suizid-Beihilfe reden“, sagt die IERM-Geschäftsführerin Maria Kletečka-Pulker, die auch Mitglied der Bioethikkommission ist, die sich ebenfalls mit dem Thema Lebensende befasst.

Für Kletečka-Pulker leidet die Patientenverfügung, die 2006 eingeführt wurde, an zwei Schwierigkeiten: Die eine liegt in der Natur der Sache, werde aber zu wenig kommuniziert, so die Juristin. Denn im Unterschied zur Vorsorgevollmacht, dank der der Bevollmächtigte auf die aktuelle Situation reagieren kann, ist die Patientenverfügung in ihren Vorgaben ziemlich starr. Sie muss nämlich medizinisch sehr konkret sein, damit sie verbindlich ist. Damit ist sie eigentlich nur für chronisch Kranke geeignet, die wissen, welche medizinischen Maßnahmen sie am Lebensende erwarten. Ein anderes Problem der Patientenverfügung ist ihr „Ablaufdatum“: Damit sie verbindlich bleibt, muss sie alle fünf Jahre erneuert werden. „Man sollte die Frist streichen“, fordert Kletečka-Pulker. Denn es gehöre zur Selbstbestimmung, seine Entscheidung selbst regelmäßig zu überprüfen.

Register fehlt

Auch bei der Vorsorgevollmacht sieht die Juristin Probleme. Derzeit wird diese von einem Notar oder Rechtsanwalt errichtet – das kann, abhängig vom Umfang der Beratung und vom Stundensatz, teuer werden. Sie schlägt vor, dass man die Vorsorgevollmacht so wie die Patientenverfügung auch günstiger bei der Patientenanwaltschaft errichten kann. Generell zeigt die Evaluierung, dass die Vorsorgevollmacht sehr unbekannt ist, während die Patientenverfügung den meisten ein Begriff ist. 67 Prozent der Befragten haben noch nie etwas von der Vorsorgevollmacht gehört. Dabei halten Experten sie oft für das „praktischere“ Instrument. Was viele nicht wissen: Wird für kritische medizinische Fragen ein Sachwalter bestellt, so muss der „objektiv vernünftig“ handeln. Der Bevollmächtigte hingegen ist nur dem Patientenwillen verpflichtet.

Ein empfindlicher Schwachpunkt beider Instrumente ist, dass die Patienten bzw. ihre Angehörigen selbst dafür sorgen müssen, dass der Arzt überhaupt davon erfährt. Denn ein zentrales, verbindliches Register, das die Mediziner abrufen könnten und müssten, fehlt. Auch eine Speicherung in der Elektronischen Gesundheitsakte ist bloß angedacht, allerdings wäre diese Option natürlich auf ELGA-Teilnehmer beschränkt.

Fortsetzung folgt?

Apropos Vorschläge: Im Vorfeld lässt der Gesundheitssprecher des Teams Stronach, Marcus Franz, mit der Idee aufhorchen, gleich die nächste Enquete-Kommission zu beschließen – und zwar zur Fortpflanzungsmedizin. Eine solche war ja im Vorjahr geplant, wurde dann aber überraschend abgesagt. Wer über die Würde am Lebensende rede, müsse auch über jene am Lebensanfang reden, so Franz.

Bereits vor Start der Sitzungen wird auch klar, dass Gesetzesänderungen in ideologisch heiklen Fragen unwahrscheinlich sind. Bis auf die ÖVP und das Team Stronach will keine Partei das Verbot der Tötung auf Verlangen in die Verfassung heben. Auch für die Legalisierung der Suizid-Beihilfe macht sich keine stark, auch nicht die Grünen oder (anders als deren Jugendorganisation) die Neos. Man sei aber offen für Diskussionen, heißt es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2014)

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