Studentenmorde stürzen Mexiko in eine tiefe Krise

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Das bisher positive Image des Präsidenten Peña Nieto gerät ins Wanken. Demonstranten hatten am Montag den Flughafen von Acapulco blockiert.

Mexiko-Stadt. Die Proteste wegen der mutmaßlichen Morde an 43 Studenten dauern in Mexiko an. Demonstranten, darunter Angehörige der Verschwundenen, haben mehrere Stunden lang den Flughafen der Touristenstadt Acapulco blockiert. Zuvor hatten Unbekannte nach einer friedlich verlaufenen Kundgebung in Mexiko-Stadt versucht, den Nationalpalast zu stürmen. Zu Vandalenakten kam es auch in Chilpancingo. In der Hauptstadt des Bundesstaates Guerrero, aus dem die vermissten Studenten stammen, zündeten Demonstranten rund 20 Fahrzeuge an und verwüsteten die Räume des regionalen Regierungsgebäudes. In den kommenden Tagen sollen im ganzen Land weitere Demonstrationen stattfinden.

Mexikos Präsident, Enrique Peña Nieto, erlebt die schlimmste Krise, seit er im Dezember 2012 sein Amt angetreten hat. Das Verbrechen an den 43 Studenten droht, sein Image als zupackender, reformfreudiger, moderner Politiker zu zerstören. Denn die Indizien, wonach die Bundesregierung seit Längerem von den skandalösen Zuständen in Guerrero wusste und nichts unternahm, verdichten sich. Groß ist der Schaden auch bei der wichtigen mexikanischen Linkspartei, Partido de la Revolución Democrática (PRD), zu der sowohl Bürgermeister Abarca als auch Guerreros Ex-Gouverneur Ángel Aguirre gehören. Die Protestbewegung fordert, gegen den unter öffentlichem Druck zurückgetretenen Aguirre zu ermitteln.

Schweigen über Drogenkrieg

Peña Nietos Taktik bestand bisher darin, wenig über den Drogenkrieg zu sprechen. Während unter seinem Vorgänger Felipe Calderón den Medien fast täglich verhaftete Mafiosi samt Drogen und Waffen präsentiert wurden, beschwört der neue Präsident lieber den ökonomischen Segen seiner Reformpolitik. Nun setzt er sich dem Verdacht aus, das Schweigen über den Drogenkrieg sei in Wirklichkeit ein Vertuschen.

Als durchsichtiger Versuch der Schadensbegrenzung im eigenen Interesse wirkt auch seine Ankündigung, einen „nationalen Pakt“ zur Verbrechensbekämpfung schließen zu wollen. Derartige Initiativen hat es in Mexiko schon mehrmals gegeben, ohne dass sich an dem Grundübel etwas geändert hätte: der Verstrickung zwischen staatlichen Institutionen und organisiertem Verbrechen.

Was die 43 Studenten betrifft: Offiziell gelten die Absolventen des ländlichen Lehrerseminars in Ayotzinapa noch immer als vermisst. Wie Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam vergangene Woche bekannt gab, haben jedoch drei Mitglieder des Drogenkartells Guerreros Unidos gestanden, die jungen Männer ermordet zu haben.

Fünfzehnstündiges Feuer

Die Details der Tat sind grausig. Zunächst wurden die Opfer von Gemeindepolizisten aus Iguala verhaftet und den Killern des Drogenkartells ausgeliefert. Den Befehl habe Igualas Bürgermeister José Luis Abarca und dessen Gattin erteilt, die beide mit dem organisierten Verbrechen verbündet sein sollen. Die Täter brachten die Seminaristen zu einer Mülldeponie in der Ortschaft Cocula, wo sie hingerichtet und ihre Leichen verbrannt wurden.

Das Feuer, das die Verbrecher mit Holz und Autoreifen immer wieder neu anfachten, habe 15 Stunden gebrannt. Danach hätten sie die Knochen ihrer Opfer zermalmt, in Abfallsäcke gesteckt und in den Fluss Río San Juan geworfen. Die Ermittler haben auf der Mülldeponie menschliche Überreste gefunden, die allerdings zu wenig DNA für eine Identifizierung hergeben. Ein Speziallabor in Innsbruck, bekannt auch für die Untersuchung der Tsunami-Opfer, soll nun die Reste analysieren. Für die Familien wird damit die Ungewissheit weitere Wochen andauern.

AUF EINEN BLICK

Mexiko. Bereits seit Tagen dauern die Proteste in Mexiko nach dem mutmaßlichen Mord an 43 Studenten an; immer mehr grausige Details kommen ans Tageslicht. Demnach sollen die Studenten in einer Mülldeponie fünfzehn Stunden lang verbrannt worden sein. Hinter dem Mord soll unter anderem der Bürgermeister der Stadt Iguala stecken. Präsident Enrique Peña Nieta, der bisher ein positives Image hatte, gerät immer mehr unter Druck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2014)

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