G20-Gipfel: Moskaus militärisches Muskelspiel

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Zum G20-Gipfel in Brisbane kreuzen russische Kriegsschiffe vor der Küste. Die verstärkte Militärpräsenz erinnert an Sowjetzeiten: als Einschüchterungsmanöver und Machtdemonstration.

Wien/Brisbane. Australien hat nicht um Hilfe gebeten, erst recht nicht aus Russland. Nach einer Serie von Terrorakten durch heimische IS-Aktivisten und einer groß angelegten Razzia hatte die Regierung in Canberra vor dem G20-Gipfel in Brisbane an diesem Wochenende aus eigenem Ermessen die Sicherheitsvorkehrungen massiv verschärft. Sie untersagte sogar das Aufsteigen von Flugdrachen.

Die Maßnahmen beeindruckten das russische Militär offenbar nur mäßig. Tausende Kilometer von ihrem Heimathafen, Wladiwostok, entfernt, zeigt die russische Marine im Südpazifik zum Auftakt des hochkarätigen Treffens an der australischen Gold Coast nämlich Flagge: Gleich vier Kriegsschiffe kreuzen offiziell zum Schutz Wladimir Putins vor der Küste, allerdings noch in internationalen Gewässern.

Putin-Kritiker Tony Abbott

Für den Kreml ist die Entsendung einer kleinen Flotte eine Routineangelegenheit: Die russische Marine gebe bei ähnlichen Anlässen, etwa dem Apec-Gipfel in Singapur 2009, Flankenschutz. Für Australiens Medien ist die Sache eindeutig eine Angelegenheit zwischen zwei Machos. Das militärische Muskelspiel Moskaus ist demnach eine Reaktion auf das rhetorische Muskelspiel des Premiers Tony Abbott.

Abbott hat sich als einer der vehementesten Kritiker des russischen Präsidenten in der Ukraine-Krise in Szene gesetzt. Er pochte auf eine Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau, und er dachte sogar laut darüber nach, Putin vom G20-Gipfel auszuladen. Beim Apec-Treffen jüngst in Peking forderte der australische Premier den Kreml-Chef als mutmaßlich Mitverantwortlichen auf, sich für den Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs im Juli über der Ostukraine zu entschuldigen. Putin blieb bisher eine Antwort schuldig.

Die verstärkte russische Militärpräsenz folgt einer Direktive des Verteidigungsministers, Sergej Schoigu. „In der gegenwärtigen Lage müssen wir unsere Präsenz im westlichen Atlantik, im östlichen Pazifik, im Golf von Mexiko und in der Karibik sicherstellen.“

Schoigu kündigte eine Ausweitung der Bomber-Patrouillen bis nach Nordamerika an. In Europa führte diese Praxis, eine Anlehnung an Sowjetzeiten, bereits zu einer Reihe von Zwischenfällen, wie jüngst das European Leadership Network – eine Vereinigung von europäischen Sicherheitspolitikern – auflistete. Die baltischen Staaten registrierten eine signifikante Zunahme der Zahl russischer Kampfjets im grenznahen Luftraum, Estland monierte die Entführung eines Geheimdienstoffiziers durch Russland – als Teil eines Einschüchterungsmanövers durch Moskau.

Die Suche nach einem mysteriösen Unterwasserobjekt in den Schären vor Stockholm versetzte Schweden neulich tagelang in Aufregung. Und im März wäre es östlich von Malmö beinahe zu einer Kollision zwischen einer schwedischen Passagiermaschine und einem russischen Aufklärungsflugzeug gekommen, weil der Pilot des russischen Jets seine Position nicht bekannt gab. Die russische Luftwaffe forciert derweil ihre Trainingsflüge über Nord- und Ostsee, Schwarzem Meer und dem Atlantik.

Die Ukraine-Krise hat Moskaus vielfältige Militäraktivitäten auf dem Boden, zu Wasser und in der Luft ausgelöst, und ein Ende ist laut USA und UNO nicht abzusehen. Bereits in der Vorwoche rollten nach Nato-Angaben Konvois mit russischen Panzern, Artillerie, Truppen und Nachschub über die Grenze in die Ostukraine. „Russland hat einen Friedensplan ausgehandelt, den es jetzt systematisch unterminiert. Es redet über den Frieden, schürt aber den Krieg“, kritisierte Samantha Power, UN-Botschafterin der USA. Der Waffenstillstandspakt von Minsk existiere nur noch auf dem Papier, lautet der Tenor auch bei der OSZE. Russland tat die Anschuldigungen hingegen als „heiße Luft“ ab. In Brisbane wird Putin indessen trotz Flankenschutzes auf See das Kreuzfeuer der internationalen Kritik auf sich ziehen.

Auf einen Blick

G20-Gipfel. Am Wochenende geht in Brisbane die Konferenz der wichtigsten Industriestaaten und Schwellenstaaten über die Bühne. Im Mittelpunkt unter anderem: die Ukraine-Krise. Australiens Premier, Tony Abbott, erwog sogar eine Ausladung Wladimir Putins. Er forderte ihn jüngst auf, sich für den Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs über der Ostukraine zu entschuldigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2014)

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