Das Budget geht in vier Wochen zur Neige, doch US-Präsident Barack Obama prescht mit der Legalisierung illegaler Einwanderer vor und riskiert die Eskalation des Konflikts mit den Republikanern.
Washington. Eine Woche nach der schwersten Wahlniederlage seiner demokratischen Partei seit vielen Jahren macht Präsident Barack Obama mit seiner Ankündigung Ernst, den Aufenthalt von Millionen illegaler Einwanderer zu legalisieren.
Das Weiße Haus streute am Donnerstag die Eckpunkte dieser per präsidentieller Verordnung verfügten Einwanderungsreform unter mehrere US-Medien: Bis zu 3,3MillionenMenschen – die meisten von ihnen Mexikaner – könnten Aufenthaltspapiere und Arbeitserlaubnisse erhalten, sofern sie zumindest fünf Jahre in den USA sind, sämtliche ausständigen Steuern begleichen und sich keiner schweren Verbrechen schuldig gemacht haben.
Viele dieser Einwanderer haben seit ihrer Ankunft in den USA Kinder bekommen, die somit amerikanische Staatsbürger sind. Für diese Familien ist jede Autofahrt, jeder Gang auf ein Amt und jeder Elternsprechtag an der Schule eine Zitterpartie, weil jemand die illegal aufhältigen Eltern an die Fremdenbehörde verraten könnte.
Das ist auch der Grund, weshalb viele lokale US-Polizeibehörden für die Legalisierung des Aufenthaltes dieser Menschen sind: Wer Angst vor der Abschiebung hat, traut sich nicht, die Polizei über kriminelle Aktivitäten in der Nachbarschaft zu informieren oder als Zeuge vor Gericht auszusagen.
Neue Budgetblockade droht
Obama plant zudem, den Schwerpunkt der Arbeit der rund 12.000 Beamten der Einwanderungsbehörde vom Landesinneren an die Grenzen zu verlegen. Er würde zusätzlich in einem Memorandum klar festhalten, dass sich die Einwanderungsbehörde vor allem auf die Abschiebung jener illegalen Einwanderer zu konzentrieren habe, die entweder erst in jüngerer Vergangenheit angekommen sind oder schwere Straftaten begangen haben.
Diese Maßnahme, die Obama bereits vor den Kongresswahlen in den Raum gestellt, aus Rücksicht auf schwächelnde demokratische Kandidaten aber vorläufig zurückgezogen hatte, erzürnt die Republikaner. „Wir werden den Präsidenten mit Zähnen und Klauen bekämpfen“, warnte John Boehner, der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses. Er kündigte erneut Klagen gegen Obama an.
Eine Gruppe von republikanischen Senatoren rund um den Texaner Ted Cruz plant zudem, den Beschluss des Budgets für das kommende Haushaltsjahr zu blockieren, sollte Obama seinen Plan nicht zurückziehen. Zwar hat Mitch McConnell, der neue republikanische Mehrheitsführer im Senat, eine Wiederholung des „Shutdown“ ausgeschlossen, mit dem seine Partei die US-Regierung vor einem Jahr an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht hat. McConnell ist damals aber von Cruz und anderen Hitzköpfen lange Zeit schlichtweg ignoriert worden.
Demgegenüber begründen die Juristen des Weißen Hauses die Rechtmäßigkeit ihrer Immigrationspläne mit dem Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung, derzufolge die Regierung im Rahmen der Gesetze einen Spielraum für deren Umsetzung hat. Das war zum Beispiel die rechtliche Grundlage für Obamas Entscheidung im Jahr 2012, nicht gegen jene Menschen vorzugehen, die als kleine Kinder illegal in die USA gekommen und hier aufgewachsen sind.
Druck auf Republikaner
So eine Zuwanderungsreform per präsidentiellem Federstrich ist keine Dauerlösung; der nächste republikanische Präsident könnte sie rückgängig machen. Obama setzt aber darauf, die Republikaner mit diesem Schritt unter moralischen Druck zu setzen. Seine Pläne entsprechen nämlich ziemlich genau dem Gesetzesvorschlag S.744, auf den sich Republikaner und Demokraten im Senat geeinigt hatten – und der im Abgeordnetenhaus, wo radikalere, von der Tea Party angespornte Republikaner die Geschäfte führen, stecken geblieben ist.
Zudem setzt die demokratische Partei darauf, dass ihr die Bevölkerungsentwicklung künftige Wahlsiege zuspielt. Zwei Drittel aller hispanischen Wähler machten ihr Kreuz auch bei den Kongresswahlen in der vergangenen Woche bei den Demokraten. Auf lange Sicht ist es unwahrscheinlich, dass die Republikaner diese wachsende Bevölkerungsschicht – und damit das Weiße Haus – für sich gewinnen können.
AUF EINEN BLICK
US-Präsident Obama wird in den nächsten Tagen ankündigen, dass bis zu 3,3 Millionen illegaler Einwanderer (die meisten von ihnen Mexikaner) Aufenthaltspapiere erhalten. Dabei handelt es sich vor allem um Eltern von Kindern, die in den USA zur Welt gekommen und somit amerikanische Bürger sind. Obamas Rechtsberater halten dieses Vorgehen per Verordnung für zulässig. Die Republikaner, die nun beide Kongresskammern kontrollieren, kündigen hingegen Widerstand an.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2014)