UNO will Diktator Kim vor Gericht stellen

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Gegen die brutalen Menschenrechtsverletzungen im stalinistischen Nordkorea versucht die UN-Vollversammlung nun juristisch vorzugehen: Sie fordert ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Pjöngjang. Die UNO hat sich trotz des harten Widerstands weniger Nordkorea-Freunde dazu durchgerungen, das Regime in Pjöngjang wegen brutaler Menschenrechtsverletzungen vor dem Haager Internationalen Strafgerichtshof zu klagen. Selbst wenn es – wie zu vermuten – auf absehbare Zeit zu keinem Prozess gegen Diktator Kim Jong-un oder einen seiner Genossen kommt, setzt die UNO damit doch ein deutliches Signal.

Die erste Hürde ist bereits genommen: Im UN-Menschenrechtsausschuss stimmten 111 Staaten für den von EU und Japan ausgearbeiteten Resolutionsentwurf. 19 Länder votierten dagegen – eine bizarre Allianz aus Nordkorea-Freunden wie China und Russland sowie den Diktaturen in Syrien und im Iran. Formell muss noch die UNO-Vollversammlung dem Entwurf zustimmen, was als sicher gilt.

Putin stärkt Kim den Rücken

Dann würde der UN-Sicherheitsrat aufgerufen werden, einen Strafantrag beim Internationalen Gerichtshof zu stellen. Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass Peking und Moskau mit ihren Veto-Rechten Diktator Kim der Gerechtigkeit ausliefern: Wohl nicht ganz zufällig kündigte Russlands Präsident Wladimir Putin gestern an, „die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Nordkorea vertiefen“ zu wollen. Davor hatte er einen hochrangigen nordkoreanischen Regimevertreter empfangen. Ziel der Russland-Reise des Kim-Vertrauten Choe Ryong-hae war es gewesen, gegen den UN-Resolutionsentwurf Stimmung zu machen.

Immerhin bestätigt die Mehrheit der Weltgemeinschaft einen UN-Bericht, wonach die Steinzeitkommunisten in Pjöngjang die Menschenrechte mit Folter, politischen Todesurteilen und schweren Haftstrafen für Kritiker mit Füßen treten. Bis zu 120.000 Menschen – so der Report – werden in den vier bekannten Straflagern festgehalten. Dort werden sie ausgehungert „und ernähren sich aus purer Not von Gras und Ratten“, wie im Exil lebende Nordkoreaner bezeugen.

Im Februar hatte eine Expertenkommission ihren Gräuel-Bericht vorgelegt, der „Ausrottung, Mord, Versklavung, Marter, willkürliche Haft, Vergewaltigungen, erzwungene Abtreibungen und andere sexuelle Gewalt“ als die schlimmsten Verbrechen auflistet. Der Rapport ist authentisch, weil er sich auf Aussagen von mehr als 80 Nordkoreanern stützt, die diesem Gulag entfliehen konnten. Ein Ex-Häftling berichtet, wie er Leichen von Verhungerten verbrennen und deren Asche als Dünger verteilen musste. Andere schildern, wie unterernährte Babys mit Mäusen und Schlangen gefüttert wurden und meist starben.

Nach Einschätzung der Kommission sind „mehrere hundert Personen“ direkt für diese Verbrechen verantwortlich. Laut Michael Donald Kirby, Chef der Untersuchungskommission, ist Diktator Kim „der Hauptverantwortliche, alle Drähte laufen bei ihm zusammen. Deshalb wäre er auch der erste Adressat für eine Anklage“. In der Tat ist die nordkoreanische Herrschaft wie kein anderes System der Welt schon in dritter Generation auf die Kim-Dynastie zugeschnitten. Nordkoreas UN-Botschafter Sin So Ho schlug umgehend zurück: Die Resolution mache einen Dialog über das nordkoreanische Atomprogramm unmöglich. Pjöngjang habe keinen Grund, auf weitere Atomtests zu verzichten.

„Menschlicher Abschaum“

Kim legte zudem vor zwei Monaten einen eigenen „Bericht“ vor: Von Verletzungen der Menschenrechte in Nordkorea könne keine Rede sind, die Vorwürfe seien verleumderische Lügen, hieß es. Alle Nordkoreaner hätten „das Recht, nicht gefoltert oder versklavt zu werden, ihre Religion frei auszuüben und für Wahlen zu kandidieren“.

In rund 50.000 Wörtern werden die Opfer verhöhnt und beleidigt: Die Zeugen des UN-Berichts werden als „menschlicher Abschaum“ bezeichnet, sie hätten „ihr Heimatland und Volk betrogen“. Und die UN-Menschenrechtskommission sei eine „Marionette der USA“. Außerdem halte Nordkorea daran fest, dass „Menschenrechte staatlicher Souveränität unterliegen und es keine Standards gibt, die für jedes Land gelten können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2014)

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