Weiß die britische Regierung nicht mehr, was in der EU geht und was nicht?
Derzeit sieht es ganz danach aus, als ob sich die britische Regierung regelmäßig eine blutige Nase holt. Sie wollte die Zuwanderung aus der EU beschränken und bekam von Brüssel wie von Berlin ein „No-go“ signalisiert. Die Freizügigkeit sei ein Grundpfeiler der EU und nicht verhandelbar, ließ Angela Merkel wissen.
Premier David Cameron wehrte sich lautstark gegen Nachzahlungen in das EU-Budget, bis er auch dabei klein beigeben musste. Britische Regierungsvertreter hatten der Neuberechnung nämlich explizit zugestimmt. Und nun auch noch die Abfuhr des Europäischen Gerichtshofs bei Bankerboni.
Man könnte Mitleid mit David Cameron bekommen, der von Hinterbänklern unter Druck gerät und dem immer mehr Abgeordnete zur EU-skeptischen UKIP überlaufen. Seine innenpolitische Lage ist prekär. Aber es gibt auch den Verdacht, dass Cameron nur noch einen Schaukampf gegen Brüssel betreibt.
Es ist der verzweifelte Versuch, gemeinsame europäische Entscheidungen öffentlich zu hinterfragen. Er will vergessen machen, dass seine Regierung an vielen dieser Beschlüsse beteiligt war und schiebt mit diesem PR-Trick die Verantwortung dem abstrakten Brüssel zu.
Dass Cameron damit eine Dynamik auslöst, die letztlich zum EU-Austritt des Landes und zu wirtschaftlichen Nachteilen führen könnte, müsste ihm bewusst sein. Er konzentriert sich aber nur noch auf die nächsten Wahlen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)