Fall Gurlitt: Berner Museum nimmt Erbe an

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Die Bilder, die unter NS-Raubkunstverdacht stehen, bleiben vorerst in Deutschland.

Das Berner Kunstmuseum wird das Erbe des im Mai verstorbenen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt annehmen. Was bereits vergangene Woche durchgesickert war, wurde am Montag offiziell bestätigt.

Die Chronologie eines Kunstkrimis: Gurlitt, Sohn eines NS-Kunsthändlers, hinterließ eine Sammlung von über 1500 Werken, von denen 240 nach bisherigen Erkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit Raubkunst sind. Die Werke wurden bereits vor seinem Tod in seiner Münchner Wohnung wie auch in seinem Haus in Salzburg entdeckt, eine Taskforce erforscht seitdem die Herkunft der Bilder. Wo die Sammlung laut Gurlitts letztem Willen hinsoll, ist klar: Er wählte das Kunstmuseum Bern als Alleinerben.

Ohne Weiteres wollte dieses das schwere Erbe nicht akzeptieren. Es enthält neben Werken von Matisse, Picasso und Monet nämlich auch allerlei Unwägbarkeiten: einerseits Kunstwerke, die Juden in der NS-Zeit weggenommen wurden, andererseits auch „entartete“ Werke, die aus den Museen entfernt wurden. Verfahren zur Restitution können aufwendig und teuer werden. Ein halbes Jahr gab sich das Museum Zeit zu klären, ob es sich um die Sammlung und die damit verbundene Provenienzforschung kümmern könne.

Deutschland übernimmt Kosten

Die Vereinbarung, die das Kunstmuseum nun mit dem Land Bayern und dem Bund traf, dürfte im Interesse aller liegen: Das Museum tritt das Erbe an. Jene Bilder, die unter Raubkunstverdacht stehen, bleiben aber in Deutschland, sie kommen nicht „über die Schwelle des Kunstmuseums“, so der Stiftungsratspräsident des Museums, Christoph Schäublin, „nicht einmal auf Schweizer Boden.“

Die Taskforce wird weiterforschen, auch das Museum richtet eine Forschungsstelle für Raubkunst ein. Sollten weitere Bilder restitutiert werden, trägt Deutschland die Rechtskosten. Bern erklärte sich dafür bereit, Werke „entarteter Kunst“ den ursprünglichen Museen als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen.

„Triumphgefühle wären unangebracht angesichts der Geschichte, die auf der Sammlung lastet“, sagte Schäublin. Über die Werke, die man nun ohne finanzielles Risiko bekommen wird, freut man sich in Bern natürlich trotzdem. Und auch Deutschland dürfte mit der Vereinbarung zufrieden sein: Hätte das Kunstmuseum das Erbe nämlich nicht angetreten, ginge es an entfernte Verwandte Gurlitts, was die Klärung der Provenienz nur noch komplizierter machen würde. Eine Cousine Gurlitts, die sich übergangen fühlt, hat das Erbe bereits angefochten. Ob es jetzt zu einem juristischen Tauziehen kommt, ist noch unklar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2014)

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