Israels Regierungskoalition fällt auseinander

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu Interview
Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu Interview(c) Bloomberg (David Paul Morris)
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Das inhomogene Bündnis von Israels Premier, Benjamin Netanjahu, scheint kaum noch zu retten. Nächste Woche stimmen die Abgeordneten über eine Auflösung der Knesset ab. Im März könnten dann Neuwahlen anstehen.

Jerusalem. Israels Regierungskoalition nähert sich ihrem Ende. Kaum zwei Jahre lang gelang es Premier Benjamin Netanjahu, seine heterogenen Partner bei der Stange zu halten. Sollten die Abgeordneten in der kommenden Woche per Mehrheitsabstimmung über die Auflösung der Knesset entscheiden, würden die Israelis schon im März erneut an die Urnen gerufen werden. Die von Netanjahu geforderte Aufstockung des Militärbudgets und der kontroverse Gesetzesentwurf, mit dem Israel per Grundrecht als jüdischer Nationalstaat definiert werden würde, zwingen das Regierungsbündnis in die Knie.

Große Überlebenschancen gaben Beobachter der Koalition Netanjahus, in der die liberale Zukunftspartei Seite an Seite mit der weit rechten Partei Das jüdische Haus sitzt, von Anfang an nicht.

Paris für Palästinenserstaat

Jair Lapid, Chef der Zukunftspartei, nannte sich während des Wahlkampfs noch selbst Mitte-rechts-Mann, bewegte sich im Verlauf seiner Amtszeit als Finanzminister aber immer weiter nach links. Lapid ist besorgt, dass der Unmut des Westens, vor allem Europas, über das Stocken im Friedensprozess und den Siedlungsbau die Wirtschaft Israels teuer zu stehen kommen könnte. Trotzdem preschte der nationalreligiöse Naftali Bennett zusammen mit Bauminister Uri Ariel mit dem Siedlungsbau weiter voran. Aus seiner Partei kommt die Initiative für das Gesetz über den jüdischen Nationalstaat.

Für weitere Spannungen mit Europa dürfte das gestrige Votum im französischen Parlament sorgen: Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich für die Anerkennung Palästinas aus. Die Resolution ist nicht bindend. Für einen palästinensischen Staat hatten sich bereits Schweden und Spanien ausgesprochen.

Weder für Netanjahu noch für Lapid sind vorgezogene Neuwahlen günstig. Lapid zog als Blitzstarter vor zwei Jahren mit 19 Mandaten ins Parlament. Letzte Umfragen geben ihm gerade noch elf. Auch Netanjahus Partei lässt deutlich nach auf der Popularitätsskala. Zwar steht der Likud nach aktuellen Umfragen heute mit 23 Mandaten im Vergleich zu den aktuellen 18 Sitzen noch recht gut da, nicht mehr jedoch im Vergleich zu den 31 Sitzen, die er noch im Juli hätte erreichen können.

Aufsteigende Sympathiequoten kann derzeit nur das rechtsreligiöse Lager liefern, das in Zeiten von Gewalt und Terror immer zulegt.

Der Entwurf zur Stärkung des jüdischen Staates, an dem die Koalition zu zerbrechen droht, wird von mehreren Analysten in Israel schon als wahlpolitisches Manöver Netanjahus interpretiert, mit dem er versucht, die Hardliner hinter sich zu versammeln. Mit vorgezogenen Neuwahlen liegt der Entwurf nun auf absehbarer Zeit auf Eis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2014)

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