Vierschanzentournee: „Wir springen niemals im Amazonas“

(c) APA/EPA/Grzegorz Momot (Grzegorz Momot)
  • Drucken

Skispringen ist und bleibt Freiluftsport, sagt Renndirektor Walter Hofer. TV- und Sponsoreninteresse steigen, Stars und deren Geschichten bewegen. „Keine Seriensieger mehr!“

Oberstdorf. Die historische Verschiebung des Auftakts der 63. Vierschanzentournee bescherte Walter Hofer unter Garantie sein erstes graues Haar. So sehr sich der FIS-Renndirektor am Sonntag in Oberstdorf auch darum bemühte, den Bewerb nach Fahrplan abzuspulen, es wollte partout nicht gelingen. Mit jeder Minute, jeder weiteren Verschiebung wuchsen Unmut, Kritik und Zorn auf den Kärntner, 59, sowie all die der breiten Öffentlichkeit unbekannten Jurymitglieder. Den 20.000 Zuschauern in der Oberstdorf-Arena aber machte es offenbar nichts aus – das Gros hielt fünf Stunden lang durch und feierte ein Skisprungfest.

Hofer stand also einmal mehr im Mittelpunkt der Kritik. Damit hat er aber schon genug Erfahrung, seit 1992 hat er diese Position inne und seit damals könne er sich „an keine Saison erinnern, in der nicht irgendwann irgendwo irgendein Amateur laut Kritik geübt“ hätte. Er sei aber trotzdem weiterhin im Geschäft, dank seines Zutuns – und der Erfolge von Stars wie Andreas Goldberger (Red Bull), Sven Hannawald (Grand Slam), Martin Schmitt (Milka) oder Thomas Morgenstern (Red Bull) – wurde der Sport populärer. Der Zuwachs von TV-Stationen halte an, Hofer verweist auf 50 und noch mehr Millionen Zuseher in der vergangenen Saison. Auch Sponsoren würden wieder zum Schanzentisch zurückkehren, deren Akquirierung weiterhin der Firma Infront obliegt. Das Image stimme (wieder), die Zeiten der offensichtlich geduldeten Magersucht sind längst vorbei.

Langläuferin verdient mehr

Und dennoch, manch einer begehrt mehr Preisgeld bei der Tournee (16.600 Euro für Gesamt-, 8200 Euro für Tagessieg). Viele Athleten wähnen ihre Disziplin im Vergleich mit Skifahrhits (70.000 Euro in Kitzbühel) und sogar den Langläuferinnen im Rahmen der Tour de Ski (die Polin Justyna Kowalczyk verdiente im Vorjahr 94.413 Euro) weiter im Hintertreffen. Hofer jedoch lobt den Gesamtauftritt, die neuen Weltcuporte wie Nischnij Tagil (Russland) oder auch die „unvergleichbare Chancengleichheit“.

Es gebe Quoten, Regeln, deren Kontrollen, das Preisgeld komme nicht nur den Top Ten zugute, sondern allen 30 Finalisten. Jeder verdiene, aus dem Sportfunktionär sprudelt es. Wenn es um Skispringen gehe, lasse er keine ungerechtfertigte Kritik zu. Amateure stünden in keiner Sportart im Rampenlicht, Stars aber, „echte Typen, die Erfolg haben und ihre Geschichte gut erzählen“ schon.

Namen wie Simon Ammann oder Gregor Schlierenzauer sind ein Begriff, „und mit ihnen bleibt der Mythos unserer Sportart bestehen und wächst weiter“, sagt Hofer. Manche kämen als Teenager in den Weltcup, sechzehn sei ein gängiges Alter, manche schaffen es erst später. Viele warten geradezu ewig auf den ersten Sieg. Anderen wie dem Niederösterreicher Thomas Diethart falle der Triumph in den Schoß, etwa wie mit dem Vorjahressieg der Tournee. Von solchen Geschichten lebe der Sport, er vermittle Emotion, wenngleich Hofer zugibt, dass es schwer sei, Skispringen an sich, die leidige Wind- und Anlaufregel der breiten Masse begreifbar zu machen. Zur Nachahmung sei es jedenfalls nicht empfohlen. Damit bleibt dem Absprung sein Faszinosum erhalten.

Ab nach Katar?

Skispringen ist ein Freiluftsport, das wird es auch bleiben. Zumindest so lange, wie Hofer den FIS-Job ausübt. Hoch dotierte Visionen von Hallenbewerben, etwa im Sport-Schlaraffenland Katar, sind für ihn utopisch. Es gibt klimatische Limits, um die man nicht umhinkommt. Auch die Vorstellung, ein Skispringen, Erderwärmung hin oder her, im Dschungel abzuhalten, sei mehr als nur übertrieben. Zudem habe ja der Winter doch noch imposant Einzug gehalten in Oberstdorf. Hofer muss lächeln. Vor fünf Wochen noch wurde er für das Ausbleiben des Schnees verantwortlich gemacht. Jetzt ist es zu viel der weißen Pracht. „Alles bleibt, wie es ist. Ein Skispringen im Amazonas wird es nicht geben.“

AUF EINEN BLICK

Die 63. Vierschanzentournee wurde mit einem Tag Verspätung in Oberstdorf gestartet. Wind und Schnee machten den Bewerb am 28. Dezember 2014 zunichte – ein historisches Ereignis.

FIS-Renndirektor Walter Hofer wurde für das lange Zuwarten kritisiert, doch von den Athleten wurde das Vorgehen des Kärntners, 59, als korrekt bezeichnet.


Das für Dienstag anberaumte Training in Garmisch wurde abgesagt. Die nächsten Tournee-Fixpunkte: Qualifikation am Silvestertag (14 Uhr), Neujahrsspringen am Donnerstag (14 Uhr).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wintersport

Skispringen in Oberstdorf abgebrochen

Wegen schwierigen Windverhältnissen musste das Skispringen in Oberstdorf abgebrochen werden.
Gregor Schlierenzauer
Wintersport

Skispringen: Schlierenzauer Quali-Zweiter in Oberstdorf

Fünf Österreicher sind für das K.o.-Springen am Sonntag qualifiziert. Dabei treffen die derzeit besten Österreicher Schlierenzauer und Hayböck aufeinander.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.