Ökonom Sinn: Athen droht bei Euro-Verbleib die Staatspleite

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GERMANY GREECE EUROAPA/EPA/JENS BUETTNER
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Verlässt Griechenland die Eurozone nicht, droht dem Land laut Ifo-Chef Hans-Werner Sinn ein weiterer Staatskonkurs.

Nach Einschätzung des Präsidenten des deutschen Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, kann Griechenland eine neue Staatspleite nur abwenden, wenn es aus der Eurozone ausscheidet. "Es steht ein weiterer Staatskonkurs mit einem heftigen offenen oder versteckten Schuldenschnitt an, dem in den kommenden Jahren immer wieder neue Kredite und Schuldenschnitte folgen werden, wenn das Land seine Wettbewerbsfähigkeit nicht durch den Austritt aus dem Euro und eine Abwertung seiner Währung wiederherstellt", sagte Sinn dem "Handelsblatt".

Der deutsche Ökonom setzt in dieser Hinsicht auf den Chef der linken Syriza-Partei, Alexis Tsipras. Dieser sei einer der wenigen griechischen Politiker, "die die Natur des Problems verstanden haben und deshalb bereit sind, Wagnisse einzugehen", wird der Ifo-Chef zitiert. Dass Tsipras die griechischen Reparationsforderungen gegenüber Deutschland wieder auf den Tisch legen wolle, gehöre allerdings zu den "vielen unerfreulichen Aspekten des Geschehens", fügte Sinn hinzu.

"Unerträglich für die griechische Bevölkerung"

Dessen ungeachtet sieht der Ifo-Chef dringenden Handlungsbedarf, zumal sich die Lage in Griechenland seit Jahren verschlechtere. "Die griechische Wirtschaftssituation ist unerträglich für die Bevölkerung, und die fortwährenden Neukredite sind unerträglich für die Staatengemeinschaft", sagte Sinn. Griechenland habe heute doppelt so viele Arbeitslose wie noch im Mai 2010. Damals sei der Euro-Austritt des Landes unter Bruch von Artikel 125 des EU-Vertrages durch öffentliche Kredite der Staatengemeinschaft verhindert worden, und es sei beteuert worden, das Land komme schnell wieder auf die Beine.

"Die Wahrheit ist, dass Griechenland einen Einbruch der Industrieproduktion gegenüber dem Vorkrisenniveau um etwa 30 Prozent erlebt hat, dass es nach wie vor meilenweit von der preislichen Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft entfernt ist", betonte der Ifo-Chef. So seien die griechischen Löhne doppelt so hoch wie die polnischen. Zudem fahre das Land nach dem Staatskonkurs des Jahres 2012 immer noch "riesige Staatsdefizite" ein, die von der EU-Kommission "mühsam und trickreich geschönt" werden müssten, obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) alles versucht habe, die Zinsen auf griechische Staatspapiere zu drücken.

Am Dienstag legte Sinn noch einmal nach und forderte laut dpa eine internationale Schuldenkonferenz zu Griechenland. Das Land müsse wieder wettbewerbsfähig werden. "Das erfordert eine Abwertung seiner Währung, also einen zeitweisen Euro-Austritt, was wiederum einen Schuldenschnitt bedingt", sagte Sinn. Dies müsse alles zusammen international beschlossen und koordiniert werden.

Sinn: Griechen können Schulden nicht zurückzahlen

Nach den Worten Sinns kann Griechenland seine Schulden ohnehin niemals zurückzahlen, da sei es besser, die Spirale zu durchbrechen. Für den Fall, dass Griechenland aus dem Euro ausscheide, müsste Deutschland nach Sinns Angaben derzeit maximal mit einem Verlust von bis zu 76 Mrd. Euro rechnen. Wenn das Land in der Eurozone verbleibe, seien die Verluste in etwa genauso hoch, nur würden sie anders verbucht. Es würden immer wieder neue Kredite nötig, befürchtet Sinn - was die Griechenland-Rettung zu einem "Fass ohne Boden" mache, wie es in der Mitteilung hieß.

>>> Bericht im "Handelsblatt"

(APA)

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