Der Prager Premiers-Sturz

Mirek Topolanek
Mirek Topolanek(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
  • Drucken

Tschechien. Opposition versucht zum fünften Mal, Topolánek zu stürzen - diesmal mit Erfolg. Damit verliert die tschechische EU-Präsidentschaft in Zeiten der Krise in Europa an Gewicht.

PRAG. Schon viermal innerhalb von zwei Jahren hat die linke Opposition in Tschechien versucht, den liberal-konservativen Regierungschef Mirek Topolánek über ein Misstrauensvotum im Abgeordnetenhaus zu stürzen. Am Dienstag ging sie dieses Vorhaben zum fünften Mal an - diesmal mit Erfolg. Die Regierung hat am Dienstagabend die Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus verloren. Vier Abgeordnete der Regierungskoalition schlossen sich der Opposition an, die den Misstrauensantrag gestellt hatte.

Damit kommt auch die Europäische Union in eine unangenehme Lage: Schließlich hat Topolánek derzeit den EU-Ratsvorsitz inne. Zwar würde er den nicht verlieren - er würde in Prag kommissarisch weiterregieren, bis eine neue Regierung das Vertrauen des Parlaments erhielte, was erfahrungsgemäß bis zu einem halben Jahr dauern kann. Aber sein Image in Brüssel wäre durch die Niederlage im heimischen Parlament schwer ramponiert. In Brüssel war schon zuvor der tschechische Ratsvorsitz als zu wenig zupackend und entschlossen kritisiert worden. Vor allem das Verhältnis zwischen Paris und Prag hat sich in den vergangenen Monaten merklich abgekühlt: Präsident Nicolas Sarkozy machte einige Zeit den Eindruck, als wolle er die Ratsvorsitz-Stafette gar nicht an Topolánek weitergeben. Aus Paris war zu hören, dass man Tschechien für „zu unerfahren" in Zeiten der Krise hält.

Dass Tschechiens Präsident Václav Klaus an akuter Euro-Phobie leidet, tat ein Übriges. Zu Fall gebracht wurde Topolánek aber nicht allein von der linken Opposition - sie verfügte nicht über ausreichend Stimmen dafür. Topolánek stolperte über Leute aus dem Regierungslager; Ob es Abgeordnete seiner eigenen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), die sich dem Misstrauensantrag der Linken anschlossen, oder Abgeordnete der mitregierenden Grünen, blieb zunächst unklar.

Zwei weibliche Mitglieder der Partei sind mit Parteichef Martin Bursik tief zerstritten und haben die Fraktion verlassen. Zumindest eine galt als Wackelkandidatin.

„Königsmacher" Klaus

Der Premier hielt diesmal sein Ende auch selbst für denkbar. Und er entwarf auch gleich Szenarien für die weitere Entwicklung: Er gehe davon aus, dass ihn Präsident Václav Klaus als Chef der stärksten Fraktion im Parlament erneut mit der Bildung der Regierung beauftragen würde. Sollte eine Regierungsbildung ohne Unterstützung der orthodoxen Kommunisten nicht möglich sein, plädiere er für rasche Neuwahlen noch im Sommer. Eine Beamtenregierung lehnte Topolánek ab.

Nun, nach dem Fall Topoláneks, liegt der Ball in der Tat bei Klaus. Die Verfassung fordert ihn zwar auf, einen Politiker mit der Regierungsbildung zu beauftragen, nennt aber keinen zeitlichen Rahmen dafür. Man weiß, dass der EU-skeptische Klaus mit dem eher EU-freundlichen Topolánek nicht kann.

Dem Präsidenten schwebt eher eine große Koalition aus ODS und Sozialdemokraten vor - ohne Topolánek. Die kann er freilich nicht so leicht durchsetzen. In einer Zeit ohne vertrauenswürdige Regierung wird Klaus nun in jedem Fall größere Macht haben, auch im Rahmen der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Eine Tatsache, die in Brüssel niemandem gefällt. Auch deshalb sieht man dort mit Beunruhigung auf die Geschehnisse in Prag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Tschechische Regierung tritt offiziell am Donnerstag zurück

Die Regierung von Ministerpräsident Topolanek könnte Tschechien übergangsmäßig noch bis Ende Juni regieren.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.