Papst Franziskus erregte bei seiner Philippinenreise Aufsehen durch unheilig deftige Redekunst. Neues zu Kondom und Co. sagte er indes nicht.
Manila/Rom. In die erhabene päpstliche Gestik hat Franziskus, der Argentinier, den Okay-Daumen eingeführt. Auch sprachlich geht er Wege, auf die sich kein Vorgänger gewagt hätte: Er mag Lehr- und Leerformeln nicht und drückt sich statt dogmatisch korrekt theologisierend nicht selten fast brutal aus. Nonnen forderte er auf, „wahre Mütter, nicht alte Jungfern“ zu sein, der Kurie warf er „geistlichen Alzheimer“ vor. „Und wenn du etwas gegen deinen Bruder hast, dann sag's ihm ins Gesicht. Das endet vielleicht in einer Rauferei, aber das ist immer noch besser als der Terror von Klatsch und Tratsch.“
Die einwöchige Reise nach Sri Lanka und auf die Philippinen, von der Franziskus am Montag zurückkehrte, wird wegen zweier Höhepunkte neuer päpstlicher Rhetorik in Erinnerung bleiben. Als Journalisten ihn auf das Attentat gegen die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ ansprachen, sagte er: „Natürlich darf man nicht mit Gewalt reagieren, aber“ – und er hob seine Hand gegen seinen Reisemarschall, der neben ihm stand – „wenn dieser Doktor Gasparri meine Mutter beleidigt, kriegt er es mit meiner Faust zu tun! Das ist doch menschlich verständlich. Es gibt Grenzen der Ausdrucksfreiheit. Man beschimpft meine Mutter nicht, und den Glauben anderer Leute auch nicht.“
„Kinder in Serie machen? Nein!“
Die zweite Perle war am Sonntag die mit den Kaninchen. Gefragt, was die Kirche zum Bevölkerungswachstum auf den zu 80 Prozent katholischen Philippinen inklusive teils daraus folgender Massenarmut und zu Verhütungsmitteln sage, hieß es: „Manche glauben, es gehöre zu einem guten Katholiken, zu sein – Entschuldigung – wie Karnickel Kinder in Serie zu machen. Nein! Es geht um verantwortungsvolle Elternschaft. Das ist das Schlüsselwort. Die Kirche verwendet es immer schon und ich auch.“
Und was hieße Verantwortung da? „Experten, glaube ich, erachten drei Kinder pro Paar für wichtig, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. Wenn sie sinkt, passiert das andere Extrem. In Italien, so hab ich jedenfalls gehört, ist 2024 kein Geld mehr da für Pensionen.“ Zur heiklen Frage nach Verhütungsmitteln sagte er nichts Direktes, nur: „Gott gibt dir Mittel und viele legitime Auswege.“ Dieser Satz war auf eine Katholikin gemünzt, die „sieben Kaiserschnitte hinter sich hatte und zum achten Mal schwanger“ gewesen sei. Das habe er, Franziskus, nicht mehr für verantwortungsvolle Elternschaft gehalten und sie gefragt: „Wollen Sie sieben Kinder als Waisen zurücklassen?“
Trotz neuer Redemode trug Franziskus eigentlich nichts Neues vor. Die „verantwortliche Elternschaft“ steht in der Enzyklika „Humanae Vitae“ von Paul VI. von 1968, die „natürliche“ Verhütung durch Sex an unfruchtbaren Tagen rät. Verboten ist künstliche Behinderung der Zeugung, etwa per Pille. Paul VI. hatte auch gewarnt: Erlaube man künstliche Mittel moralisch, könnten Regierungen versucht sein, sie anzuordnen. Aus echter oder vorgeblicher Angst vor Überbevölkerung und Lebensmittelknappheit könnten Bevölkerungsgruppen so ob ihres Wachstums oder anderer Unliebsamkeiten zur Auslöschung verurteilt werden. Gerade untere Schichten wären damit den Mächtigen noch mehr ausgeliefert. Ähnlich denkt Franziskus. (pk)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)