Saudiarabien: Der abstoßende Magnet

SAUDI ARABI PILGRIMS
SAUDI ARABI PILGRIMS(c) EPA (Mohamed Messara)
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Mit Saudiarabien haben Österreich und die Welt so ihre liebe Not. Die Wirtschaft aber schwört auf das Land, das unseren Ölbedarf zu einem Zehntel deckt. Beide haben gute Gründe.

Karl-Heinz Strauss gibt sich gern als Kulturdozent. Sich über die Nuancen der einzelnen arabischen Staaten und deren Spielarten islamischer Tradition kundig auszubreiten, fällt dem Chef des österreichischen Baukonzerns Porr sichtlich leicht. Viel Verständnis für die Eigenheiten von arabischer Kultur schwingt da mit, denn man müsse der Gesellschaft in Saudiarabien „Entscheidungsfreiheit und Zeit lassen, um sich zu entwickeln“. Immerhin würden dort große Anstrengungen unternommen, einen Mittelstand aufzubauen, so Strauss. Gewiss, internationale Kritik an den jüngsten Auspeitschungen des islamkritischen Bloggers Raif Badawi sei berechtigt. Aber, dass man in Österreich das internationale Dialogzentrum namens Abdullah mit innersaudischen Politikthemen vermischen wolle, „hat nicht nur mich erstaunt. Auch in Saudiarabien ist man ein bisschen verblüfft. Da wird nur politisches Kleingeld gewechselt“.

Dass Strauss darüber sinniert, kommt nicht zufällig. Saudiarabien ist in aller Munde: Hier die Auspeitschungen, da das Abdullah-Zentrum, obendrein der vom Opec-Staat mitbestimmte Ölpreis – schließlich der Tod von Langzeitkönig Abdullah am Freitag. Vor diesem Hintergrund befindet sich Porr mitten im Markteintritt in Saudiarabien. Im Bieterverfahren für den Zuschlag zum Bau der U-Bahn in Mekka wurde der Konzern präqualifiziert. Sein Vorteil: Als Partner von Porr fungiert die Firma Saudi Binladin Group (gegründet vom Vater Osama bin Ladens), mit der man derzeit auch die U-Bahn in Doha, der Hauptstadt des benachbarten Katar, baut.

Aufnahmefähiger Markt. Kommt Porr seinem ersten Auftrag in Saudiarabien und damit seinem Ziel näher, das Geschäft auf der arabischen Halbinsel auf maximal zehn Prozent der jährlichen Betriebsleistung aufzustocken, sind andere österreichische Unternehmen schon weiter. Der oberösterreichische Ausrüster Rosenbauer etwa hat in den vergangenen Jahren insgesamt Aufträge zur Lieferung von über 3000 Feuerwehr-Fahrzeugen im Wert von 520 Millionen Euro erhalten, womit Saudiarabien sogar zum wichtigsten Markt geworden ist. Knapp vor Jahreswechsel fand der Spatenstich zum Bau eines Montagewerks vor Ort statt, das fünf Millionen Euro kosten und 60 bis 80 Leute beschäftigen wird. Die Großaufträge aus Saudiarabien haben dazu geführt, dass Rosenberger heute ein Drittel seines Umsatzes in der arabischen Region macht. Die Oberösterreicher hätten bei öffentlichen Ausschreibungen gepunktet, wie Unternehmenssprecherin Gerda Königstorfer erklärt: „Nach vielen Bränden hat Saudiarabien festgestellt, dass sein Feuerwehrsystem nicht optimal aufgestellt ist. Viele Ausschreibungen laufen noch.“

Das Land, das nicht zuletzt wegen des Wiener Abdullah-Zentrums innenpolitische Querelen in Österreich ausgelöst hat, gewinnt für die heimische Wirtschaft sichtlich immer mehr an Bedeutung. Beliefen sich die österreichischen Exporte im Gesamtjahr 2013 auf in Summe 684 Millionen Euro, lagen die Ausfuhren in den ersten neun Monaten 2014 bereits bei 600 Millionen Euro. Ein Plus von sechs Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013, sagt Johannes Fellner, stellvertretender Wirtschaftsdelegierter in Saudiarabien: Österreich liefere Maschinen für die Schwerindustrie und für die Wasseraufbereitung. Jüngst hat Siemens Österreich den Auftrag zur Lieferung von 74 U-Bahn-Zügen erhalten. Aber auch weniger spektakuläre Branchen reüssieren. So ist Saudiarabien für die Firma Backaldrin zum wichtigsten Markt in der gesamten Nahostregion geworden. Nicht Kornspitze würde man dorthin liefern, denn das sei „nicht das typische Produkt für die Araber“, erklärt Backaldrin-Chef Peter Augendopler im Gespräch: stattdessen Konzentrate für dortige Bäckereien, dazu Tortendekor, Sahneartikel. „Einige unserer Kunden verköstigen die Pilger beim Hadsch mit Produkten aus unseren Zutaten. Saudiarabien wird von unserer Produktion in Jordanien beliefert. Es ist ein sehr aufnahmefähiger Markt.“

Gratwanderung. Um hineinzukommen braucht es oft langjährige Beziehungen, so Fellner: „Über Nacht geht nichts. Aber Österreich hat einen irrsinnig hohen Stellenwert auf dem Markt.“ Dass die Querelen rund um das Abdullah-Zentrum dem Geschäft schaden, hat Fellner bisher noch nicht festgestellt – nicht einmal in den sehr verbreiteten sozialen Medien. Wiewohl: „Es kann relativ schnell auch zu solchen neuen Situationen kommen.“

Zuletzt hatte der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner Bundeskanzler Werner Faymann für dessen Abqualifizierung des Abdullah-Zentrums gerügt und ihm in einem Offenen Brief vorgeworfen, er bediene islamophobe Stimmungen. „Sehr dankbar“ wäre der Kirchenmann, wenn Faymann persönlich in Saudiarabien vorstellig würde, um die faktisch fehlende Religionsfreiheit zumal für Christen einzumahnen, „gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme wirtschaftlicher Nachteile“.

Diese Idee ist nicht so mehrheitsfähig wie Sanktionen gegenüber Russland. Wiewohl die Hinterfragung, ob Österreich auf saudisches Öl so sehr angewiesen ist, dass es nicht auch darauf verzichten könnte, gerade angesichts der Auspeitschung Badawis wieder auftauchte.

Österreichs Ölmix. Die Fakten zeigen, dass Österreich im Gesamtjahr 2013 Waren – sprich fast ausschließlich Öl – im Wert von 370 Millionen Euro aus Saudiarabien eingeführt hat. Das Ausmaß der Importe schwankt übrigens sehr, denn in den ersten neun Monaten 2014 ist der Wert schon auf etwa 400 Mio. Euro hochgeschnalzt, was einem Plus von 30 Prozent entspricht, wie Fellner bestätigt. 2012 hatte Öl aus Saudiarabien 11,4 Prozent der gesamten österreichischen Ölimporte ausgemacht, 2013 waren es 7,7 Prozent, wie aus der Statistik des Fachverbands der Mineralölindustrie hervorgeht. In beiden Fällen lag Saudiarabien auf Platz sechs unter den wichtigsten Öllieferanten. Platz eins hält mit etwa einem Viertel Kasachstan, Platz zwei mit einem Fünftel Nigeria. Danach folgen Russland, Libyen und Aserbaidschan – durch die Bank keine Musterschüler in Demokratie und Menschenrechten.

Auf saudisches Öl zu verzichten sei nicht so einfach, erklärt OMV-Sprecher Robert Lechner: Es habe seine Spezifika wie alle Ölsorten und eigne sich sehr für die Produktion von Bitumen. Dass es in manchen Jahren mehr zugekauft werde, habe auch mit Bedarf und freien Marktkapazitäten zu tun. „Öl wird im Unterschied zu Gas kaum mit langfristigen Verträgen gehandelt“, so Lechner: „Die Trader schauen einfach, wo aktuell ein Cargo (Schiff) frei ist.“

Saudiarabien

Einwohner.
30 Millionen

Fläche. 2.149.690 Quadratkilometer

Staatsform.
Erbmonarchie

BIP (2013).
723,4 Mrd. Dollar

BIP je Einwohner nach Kaufkraftparität (2013). 53.780 Dollar

Reales BIP-Wachstum (2013). 4,0 Prozent

Staatsverschuldung.2,7 Prozent des BIP

Warenimport (2013).
168,2 Mrd. Dollar

Warenexport (2013).
375,9 Mrd. Dollar

Angehäuftes Vermögen im saudiarabischen Staatsfonds (Stand: Jänner 2015).
757,2 Mrd. Dollar

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

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