Cervantes: „Sechs Zähne habe ich nur noch“

Am 23.April 1616 starb Cervantes, und Madrid hat den Touristen immer noch kein Grab zu bieten. Hilft ein Sarg mit den Initialen M.C.?

Dass auch die bewundertsten „Geistesmenschen“ einen Körper hatten, macht sie auch für Naturwissenschaftler interessant. An ihren Überresten kann man studieren, welche Krankheiten sie hatten, ob sie eines natürlichen Todes starben oder (wie viel öfter vermutet als bestätigt wird) ermordet wurden, wie sie aussahen und vieles mehr.

Vorausgesetzt, man weiß, wo diese Überreste sind. Bei Schiller glaubte man es zu wissen – bis sich vor wenigen Jahren herausstellte, dass keiner der drei vermeintlichen Schiller-Schädel in der Weimarer Gruft der von Schiller war (einer davon gehörte sogar einer buckligen Weimarer Hofdame, die der Dichter gar nicht leiden konnte). Gut für Weimar, dass wenigstens Goethes Gebeine wirklich dort liegen, so funktioniert der Gruft-Tourismus weiterhin.

Haben Städte ein touristisch etabliertes Grab mit den nur vermuteten Gebeinen einer Berühmtheit, sind wissenschaftliche Untersuchungen oft eher unwillkommen. Anders im Fall von Miguel de Cervantes – der 400. Todestag des „Don Quichotte“-Autors steht 2016 bevor, und Spanien hatte bisher kein Grabmal, zu dem Touristen und Cervantes-Verehrer pilgern können. Dabei ist der 23.April 1616, Cervantes' Todestag, für die Literatur ein besonders symbolkräftiges Datum, weil er auch der Todestag von Shakespeare ist. Tatsächlich starb er zehn Tage nach Cervantes, aber Spanien folgte damals dem gregorianischen, England dem julianischen Kalender. Die schöne kalendarische Koinzidenz dieser Todestage hat die Unesco auch dazu gebracht, den „Welttag des Buches“ am 23.April festzusetzen.

Bis zum 23.April 2016 sollte Madrid ein Cervantes-Grabmal haben, umso vorsichtiger sollte man die immer neuen Erfolgsmeldungen der nach den Gebeinen suchenden Wissenschaftler genießen. Der Dichter wurde im Kloster der Trinitarierinnen bestattet, später wurde das Kloster mehrmals umgebaut und erweitert, sodass man nicht mehr weiß, wo Cervantes' Grab wirklich lag. Seit Jahren suchen Wissenschaftler nach den Überresten, nun triumphieren sie öffentlich – sie haben Reste eines Sargs mit den Initialen M.C. gefunden und diverse Knochenreste im Umkreis.

Aber wird man das Gebiss mit den sechs Zähnen finden? So viele habe er noch, schrieb der alternde Cervantes über sich. Vielleicht sind ihm danach noch ein paar ausgefallen. Außerdem weiß man noch, dass er eine Kriegsverletzung am linken Arm hatte. Lebende Nachkommen von ihm sind nicht bekannt, also werden auch DNA-Tests kaum weiterhelfen. Viel ist das nicht, aber vielleicht haben die Forscher Glück – und mit ihnen die Cervantes-Fans; allein schon, weil man mithilfe des Schädels ungefähr rekonstruieren könnte, wie der Dichter ausgesehen hat; von ihm ist kein einziges gesichertes Porträt erhalten.

E-Mail: anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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