Kunde oder Zuhälter? Strauss-Kahn vor Gericht

STRAUSS KAHN
STRAUSS KAHN(c) EPA (DIEGO AZUBEL)
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In Lille hat ein Prozess gegen den früheren Minister und IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn und 13 weitere Angeklagte begonnen.

Paris. Nicht zum ersten Mal ist der französische Exminister Dominique Strauss-Kahn (DSK) wegen seiner Sexaffären ins Zwielicht geraten. Bisher kam er bei der Justiz ungeschoren davon. Doch spätestens seit der Vergewaltigungsklage eines Zimmermädchens in einem New Yorker Hotel ist sein Ruf zerstört – und seine Politikerkarriere vermutlich zu Ende, auch wenn das Verfahren in den USA gegen ihn nach einem finanziellen Vergleich eingestellt wurde.

Vor dem Strafgericht in Lille wird DSK erneut von seiner Vergangenheit eingeholt. Er muss sich wegen schwerer Zuhälterei verantworten. Darauf stehen in Frankreich im Fall eines Schuldspruchs bis zu zehn Jahre Gefängnis. Neben ihm sitzen 13 Mitangeklagte, unter ihnen der belgische Bordellbesitzer „Dodo la Saumure“ und andere Kuppler, Unternehmer, Anwälte und ein hoher Polizeibeamter.

Frauen wie Ware

In diesem Prozess dreht sich alles aber um die Person DSK und seine sexuellen Wünsche: Ausgehend von einem Callgirl-Ring von drei Angestellten des Hotels Carlton in Lille organisierten politische Freunde und interessierte Unternehmer zwischen 2008 und 2011 in Hotels von Paris, New York und Washington Partys für ihn – mit Gruppensex mit Prostituierten.

Laut Aussagen beteiligter Frauen ging es dabei manchmal sehr brutal zu. Ein Antrag der Staatsanwaltschaft, die Ex-Prostituierten, die beim Prozess als Nebenklägerinnen auftreten, unter Ausschluss des Publikums und der Medien anzuhören, ist vom Gericht abgelehnt worden. Der Presse waren die intimsten Details dieser Aussagen ohnehin im Voraus bereits bekannt.

Die laut Anklage jeweils wie Ware gelieferten Callgirls haben vorher den Untersuchungsrichtern erklärt, vor jedem Rendezvous sei ihnen von den Vermittlern und Zuhältern eingeschärft worden, dass alles getan werde, um die vermeintliche Anonymität des sehr prominenten Auftraggebers zu schützen. Bezahlt habe DSK selbst nie, angeblich will er nicht gewusst oder gemerkt haben, dass die ihm gelieferten Gespielinnen für diese einschlägigen Treffen Prostituierte waren. Darauf baut DSK vor Gericht seine ganze Verteidigungsstrategie auf. Der ehemalige IWF-Direktor, der bis zu seiner spektakulären Festnahme in New York im Mai 2011 als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der französischen Sozialisten gegolten hat, ist überzeugt, dass ihm das die Richter abkaufen werden.

Ehemalige Prostituierte, die sich in der Voruntersuchung über die gewaltsamen Praktiken beklagt haben, wollen jedoch vor Gericht erklären, dass DSK den Unterschied zwischen bezahltem Sex mit Callgirls und „Libertinage“ unter gleichgesinnten Liebhabern sehr wohl kannte und auch bemerken musste. Eine andere Frage ist es dagegen, ob das Gericht DSK dann bloß als Kunde betrachtet, der freilich nie selbst bezahlt hat, oder eben als Anstifter und Mitorganisator, der sich dann der Zuhälterei schuldig gemacht hätte. Das wäre für die französische Gerichtspraxis eine eher seltene oder sogar neue Auslegung dieses Delikts.

Formfehler beim Verfahren?

Ein Anwalt eines Mitangeklagten möchte die Gerichtsverhandlung mit einem ganz anderen Einwand platzen lassen. Laut Medienberichten, die sich unter anderem auf Polizeiquellen berufen, seien nämlich bereits ab 2010 in aller Heimlichkeit, aber mit dem angeblichen Wissen der damaligen Staatsführung, polizeiliche Nachforschungen über DSK und seine Beziehungen zu Prostituierten angestellt worden.

Die kompromittierenden Enthüllungen hätten Gegner dann später bei den Präsidentschaftswahlen einsetzen können. DSK manövrierte sich dann aber ein Jahr vor diesen Wahlen mit dem Vorfall in New York selbst ins Abseits. Dennoch würden es solche außergerichtlichen Ermittlungen laut der Verteidigung rechtfertigen, das Verfahren wegen schwerer Formfehler für ungültig erklären zu lassen.

AUF EINEN BLICK

Dominique Strauss-Kahn war die politische Hoffnung der französischen Sozialisten, ehe die mutmaßliche Vergewaltigung eines Zimmermädchens in New York seine Karriere beendete. Die Anklage wurde fallen gelassen, aber nun muss Strauss-Kahn in Lille wegen schwerer Zuhälterei vor Gericht: Für ihn und befreundete Politiker sowie Unternehmer sollen Partys mit Prostituierten veranstaltet worden sein. Strauss-Kahn sagt, er habe nicht gewusst, dass es sich um Callgirls handeln würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2015)

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