Mit der Kamera in Kairo: Ägyptens private Revolution

Alexandra Schneider und Daniela Praher
Alexandra Schneider und Daniela Praher(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kino. Alexandra Schneider und Daniela Praher haben vier ägyptische Frauen porträtiert. Und zeigen, dass die Revolution auch im Wohnzimmer passiert.

Amani hat kurze Haare, trägt bunte T-Shirts, hat einen Verlag und ihre eigene Radiostation für Frauen. Sie ist unverheiratet und muss sich dafür genauso rechtfertigen wie die gut ausgebildete Nubierin May, die ihre Stelle als Bankerin aufgibt, um ihr eigenes Entwicklungsprojekt im konservativen Süden Ägyptens aufzubauen. Fatema spricht fließend Englisch, kümmert sich um ihre Kinder – und macht nebenbei politische Karriere bei den Muslimbrüdern. Und dann ist da noch Sharbat, die ein bisschen wie Marion Cotillard aussieht und die sich beharrlich ihrem Mann widersetzt, um auf dem Tahrir-Platz zu demonstrieren – für die Zukunft ihrer Söhne.

Als 2011 in Ägypten die Revolution ausbrach, saßen Alexandra Schneider und Daniela Praher vor dem Fernseher, aber vor allem vor dem Computer: Und haben dabei „einiges gesehen, das so in den klassischen Nachrichten nicht vorkommt“. Etwa, wie viele der Aktivisten Frauen sind: oft allein unterwegs, sehr eloquent, manchmal provokativ. „Das hat für mich das Klischee von muslimischen Frauen infrage gestellt“, sagt Schneider. „Für mich war der arabische Raum plötzlich nahbar, spürbar“, ergänzt Praher. Ziemlich zeitgleich hatten die beiden das Gefühl, dass da etwas in der Luft liegt, dem es sich nachzugehen lohnt.

Klima immer aggressiver

Drei Jahre lang haben die Regisseurin und die Produzentin für die Dokumentation „Private Revolutions“ die genannten vier (außergewöhnlichen) Frauen begleitet. Der Juni 2011, erinnern sie sich, sei dabei ein guter Zeitpunkt gewesen, um „anzudocken: Alle waren euphorisch.“ Mit der Zeit änderte sich das Klima merklich, wurde immer aggressiver; auch westlichen Medien gegenüber. Es sei aber auch nie das Ziel gewesen, nur einen schnellen Revolutionsfilm zu machen. „Wir zeigen einen laufenden Prozess.“

Viel haben Schneider und Praher darüber gesprochen, ob es nicht vermessen sei, wenn Ausländerinnen einen solchen Film drehen. Letztlich habe sich das wohl sogar als Vorteil entpuppt: „Weil wir neutral wahrgenommen wurden. Ein Ägypter hätte wohl nicht so leicht den Bogen von der linken Aktivistin bis zu den Muslimbrüdern spannen können.“ Genau das war aber immer das Ziel: „Weil es diese Vielfalt ist, die Demokratie ausmacht.“ Und weil die Demokratie mit gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen muss. Noch, sagt Schneider, sei Ägypten geprägt von Patriarchat und Obrigkeitshörigkeit, „da wird auch in einem Unternehmen nicht erwartet, dass ein Mitarbeiter eigenständig denkt“. Aber wie soll Demokratie funktionieren, wenn ein junger Mann vor der Kamera erklärt, dass zu Hause doch nur einer entscheiden kann? Seine Frau könne ihre Meinung ja sagen, erklärt er, „und wenn sie mir gefällt, dann berücksichtige ich sie“.

Für die beiden Oberösterreicherinnen, die sich schon seit der Schulzeit in Linz kennen, blieb der Film nicht ungefährlich. Ein Risiko, das sie bewusst eingegangen sind. Immer wieder wurden sie bedroht, zwei Mal landeten sie auf der Polizeistation. Einmal waren sie davor im ärmlichen Viertel von Sharbat von einem Mob bedroht worden, mussten sich in der Wohnung verschanzen. Am Ende hatte der Polizeibericht nichts mit den Geschehnissen zu tun. Da, sagt Schneider, wundere sie sich nicht, wenn die Menschen Dinge selbst in die Hand nehmen.

Apropos in die Hand nehmen: Für Daniela Praher war der Film der Auslöser, ihre eigene Produktionsfirma zu gründen. „Es war quasi auch für uns eine Revolution.“ Für Schneider bildete die Dokumentation die perfekte Symbiose ihrer Interessen – ist sie doch ausgebildete Sozialarbeiterin, wechselte erst mit 27 auf die Filmakademie. „Ich weiß jetzt: Das ist die Art von Film, die ich machen möchte.“

Mit drei der Frauen (Fatema hat nach dem Wahlsieg der Muslimbrüder Ende 2011 den Kontakt abgebrochen) sind sie noch in Kontakt. Auf die Protestbewegung halte die Militärregierung derzeit „den Deckel“. Erst diese Woche wurden hunderte Aktivisten zu lebenslänglicher Haft verurteilt. „Aber es brodelt. Und man sieht, dass es auch im privaten Bereich knirscht.“

AUF EINEN BLICK

Alexandra Schneider (35) wuchs in Deutschland, den USA, Dänemark und in Linz auf, studierte Sozialarbeit und Sozialwissenschaften und später an der Filmakademie. Daniela Praher (36) stammt aus dem Mühlviertel, studierte Publizistik und arbeitete in Produktionsfirmen, inzwischen leitet sie ihre eigene (praherfilm.at). In der Dokumentation „Private Revolutions“ erzählen sie die fesselnden Geschichten vier starker Ägypterinnen. Ab Freitag, 13. Februar, im Kino. Sondervorführungen und Gespräche möglich. www.privaterevolutions-film.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2015)

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