Ein griechischer Kompromiss kündigt sich an

Noch sind sie sich nicht sehr einig: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras (li.) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Noch sind sie sich nicht sehr einig: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras (li.) und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.(c) imago/Xinhua
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Den EU-Verhandlern soll mit einem Übergangsplan mehr Zeit gegeben werden, um die Syriza-Ideen zu prüfen. Griechenland könnte sich auch Geld aus Russland, China oder den USA holen.

Die EU-Kommission erwartet keine rasche endgültige Vereinbarung im Schuldenstreit mit Griechenland. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras wollte daraufhin dringend mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprechen. Verteidigungsminister Panos Kammenos erklärte unterdessen, Griechenland könnte sich für seine Finanzierung an die USA, Russland oder China wenden.

Die EU-Kommission hält es für unwahrscheinlich, dass es in dieser Woche zu einem Durchbruch mit Griechenland kommt. Die Erwartungen an das Sondertreffen der Euro-Finanzminister am Mittwoch und den EU-Gipfel am Donnerstag seien "niedrig", sagte eine Kommissionssprecherin am Dienstag in Brüssel. Es gebe "sehr intensive Kontakte" zwischen Juncker und Tsipras sowie den anderen Mitgliedern der Eurozone. Diese seien bisher aber "nicht sehr fruchtbar" gewesen.

Das griechische Fernsehen berichtetet daraufhin, dass Tsipras dringend mit Juncker telefonieren wolle. Das Telefongespräch sollte noch am Nachmittag stattfinden, hieß es unter Berufung auf Athener Regierungskreise. Laut Brüsseler Kommissionskreisen gibt es bisher keinen formalen Vorschlag.

Vorläufiger Deal?

In einem Medienbericht war zuvor von einer möglichen Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland die Rede. Ein EU-Vertreter sagte, bei einem weiteren Treffen der Euro-Finanzminister am kommenden Montag solle ein vorläufiger Deal erzielt werden. Dann hätten die nationalen Parlamente noch genug Zeit, um sich damit zu beschäftigen.

Kammenos, Chef der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (ANEL), die als Juniorpartner mit der Linken von Tsipras Griechenland regiert, sagte am Dienstag im griechischen Fernsehen, Athen wolle ein neues Abkommen mit der EU über den griechischen Schuldenberg. Aber wenn Deutschland nicht nachgibt und "Europa auflösen will", dann werde Griechenland "einen Plan B" verfolgen. "Und das ist, Geld aus anderen Quellen zu bekommen. Es können die USA im besten Fall sein. Es könnte Russland, es könnten China oder andere Staaten sein", sagte Kammenos.

Tsipras stellt sich in der Nacht auf Mittwoch einer Vertrauensabstimmung im Parlaments. Das regierende Bündnis aus der Linkspartei Syriza und der ANEL hat eine komfortable Mehrheit von 162 Abgeordneten im Parlament mit 300 Sitzen.

Zehn-Punkte-Plan in Arbeit

Tsipras hat in seiner Regierungserklärung am Sonntag das griechische Rettungsprogramm für beendet erklärt und fordert nun neue Verhandlungen über den Umgang mit den Milliarden-Schulden. Die Geldgeber aus EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) lehnen solche Gespräche vorerst ab. Erst müsse das noch laufende Rettungsprogramm abgeschlossen werden.

Mit Hinblick auf das Sondertreffen der Eurogruppe am Mittwoch in Brüssel soll es hinter den Kulissen Bewegung geben. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen erfuhr, wird an einem Zehn-Punkte-Plan für Griechenland gearbeitet. Beteiligt seien Mitarbeiter des griechischen Finanzministeriums und Junckers. Auch Washington spiele eine Rolle. Die Troika mit Kontrolloren der EU, der EZB und des IWF soll es in der Form nicht mehr geben.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wolle seinen Kollegen der Eurogruppe am Mittwoch unter anderem vorschlagen, fast 70 Prozent der Auflagen des vorigen Programms zu akzeptieren. Den Rest wolle er mit einem Bündel von Maßnahmen ersetzen, die in Kooperation mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeitet worden seien.

Mindeslohn wieder anheben

Um eine erneute Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Hilfsprogramms will die neue Regierung nicht bitten. Stattdessen will sie die Reformauflagen zurückdrehen und etwa den Mindestlohn wieder anheben sowie entlassene Staatsdiener wieder einstellen. Auch Privatisierungen sollen gestoppt werden, aktuell etwa des alten Athener Flughafens Hellenikon.

Zudem will Griechenland Grünes Licht bekommen für die Ausgabe weiterer Staatsanleihen in Höhe von mindestens acht Milliarden Euro. Die Regierung Tsipras will zudem doch noch die letzte Tranche der Finanzhilfen für das ablaufende Rettungsprogramm in Höhe von gut sieben Milliarden Euro erhalten.

Einzelheiten wollte Varoufakis am Mittwoch seinen Amtskollegen präsentieren, hieß es aus Kreisen des Finanzministeriums in Athen.

Möglicher Kompromiss erfreut Index

Auf den Finanzmärkten wird spekuliert, dass ein erster Schritt hin zu einem Kompromiss gemacht werden könnte. Der griechische Aktien-Index ATG stieg um 3,6 Prozent. Der Index für die Banken des Landes kletterte sogar um mehr als acht Prozent. Gleichzeitig gaben die Renditen deutlich nach - bei der zehnjährigen Staatsanleihe zum Beispiel um rund 0,5 Punkte auf 10,8 Prozent.

Über Griechenland wurde am Dienstag auch in Österreich wieder debattiert. Während Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gewisses Verständnis für den neuen griechischen Regierungschef zeigten, äußerte sich Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nach dem Ministerrat zurückhaltend. "Ich weiß nicht, wie eine neue Freundschaft zu interpretieren ist", sagte er in Richtung Tsipras, der in Faymann einen "neuen Freund" gefunden haben will. Er schaue sich vielmehr die Inhalte an. Und die hätten ihn noch nicht überzeugt, so Mitterlehner. Faymann betonte, Griechenland müsse die Verpflichtungen voll einhalten. Doch bei Tsipras sieht er im Gegensatz zu Mitterlehner einen "grundsätzlich richtigen Ansatz".

(APA/dpa/Reuters/AFP)

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