Tina Maze ist nach der Kombination bereits Doppelweltmeisterin, weitere Medaillen sollen folgen. Lindsey Vonn hingegen fährt den Erwartungen hinterher und ist „bitter enttäuscht“.
Vail/Beaver Creek. Der Anblick ist im Weltcup Gewohnheit, doch bei der Ski-WM in Vail und Beaver Creek vermag Tina Maze mit ihrem geschlagenen Rad für neue Begeisterung zu sorgen. Und als die Slowenin, 31, nach dem Triumph in der Kombination, ihrer zweiten Medaille in Gold und ihrer dritten bei dieser WM, im Zielraum Anlauf nahm, wurde so mancher US-Fan nachdenklich. Was wäre passiert, hätte Lindsey Vonn gewonnen? Warum fährt der Skistar den Erwartungen just bei der Heim-WM so eklatant hinterher?
Doppelweltmeisterin Maze, mit 31 Jahren und 283 Tagen älteste Titelträgerin der Geschichte, zeigte jedenfalls nach ihrer Siegfahrt in der Kombination für eine erneut schwer enttäuschte Lindsey Vonn Verständnis. „Ich weiß genau, wie das Gefühl ist, wenn die Dinge nicht laufen, wie du willst. Das ist mir auch schon passiert und das ist nicht einfach. Ich bin mir sicher, dass sie in den nächsten Rennen wieder stark fahren und wohl auch gewinnen wird.“ Mit neun WM-Medaillen steht Maze auf Rang vier der ewigen Bestenliste.
Die für Vonn gedachte Rolle, Nummer eins in den Rocky Mountains zu sein, hat Maze längst übernommen. Auch nimmt ihr Vorhaben, in allen fünf Bewerben Medaillen zu gewinnen, weiter Gestalt an. „Ich war immer eine der Favoriten und habe es nie geschafft“, erklärte sie nach den zahlreich zuvor verpassten Kombinationsmedaillen bei Großereignissen. „Wenn ich es jetzt nicht geschafft hätte, hätte es sich nicht gut angefühlt. Ich war sehr nervös.“
Wie viel Kraft dieses Mammutprogramm mit fünf WM-Starts kostet, konnte man ihr ansehen. Mit glasigen Augen und schmerzendem Knie saß Maze in der Pressekonferenz und musste sich offensichtlich beherrschen, nicht zu weinen. Den Teambewerb wollte sie auslassen und erst für den Riesenslalom am Donnerstag an ihren „Arbeitsplatz“ zurückkehren.
Der bittere Trugschluss
Mit brüchiger Stimme und verkniffenem Gesichtsausdruck war auch Vonn nach dem Rennen anzutreffen. Die 30-Jährige wollte das Erlebte schnellstmöglich vergessen, ein im Weltcup gängiges Mittel. Doch mit dem simplen Abhaken ist es bei einer Heim-WM eben nicht getan, da ruhen noch größere Belastungen auf den Athleten. Persönliches Ego und höhere Erwartungshaltung spielen eine gewichtigere Rolle, in Vonns Fall ist eine Bronzemedaille (Super-G) keine zufriedenstellende Ausbeute. Nach der Abfahrt war sie über eine Sekunden vom Podest entfernt, im Slalom kam der Ausfall. „Ich bin richtig enttäuscht. Ich dachte, ich hätte eine Chance auf eine Medaille“, sagte Vonn. Es sei aber ein bitterer Trugschluss gewesen.
Damit beginnt für sie bereits das nächste Rennen, das Suchen und Finden von Erklärungen. Ein erster Ansatzpunkt für das Tief ist schnell gefunden, ihr operiertes Knie. Das Eis, sagt Vonn, sei „nicht gut“, ihr Knie „schmerzt jetzt ziemlich“, speziell in Kurven und bei hoher Belastung. Sie könne daher kaum die Linie halten, ihre Fahrt glich eher einem Drift, es sei also schon früh aussichtslos gewesen. An Aufgabe aber denkt Vonn nicht, schon gar nicht bei einer WM vor ihrer Haustür. Die letzte Chance auf Gold liegt nun im Riesenslalom, da wolle sie „alles geben“. Da kommt jedoch ein Problem hinzu – Tina Maze startet mit dem gleichen Vorhaben. (red)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2015)