Schettino: „Was für ein Angeber, was für ein Feigling!“

Captain of the Costa Concordia cruise liner Schettino prepares to read a speech during his trial in Grosseto
Captain of the Costa Concordia cruise liner Schettino prepares to read a speech during his trial in Grosseto(c) REUTERS
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Im Prozess um die tödliche Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia im Jänner 2012 vor der Toskana stand am Mittwochabend die Urteilsverkündung gegen Kapitän Schettino bevor. Die Staatsanwälte hatten ihn massiv attackiert.

Grosseto. „Was für ein Angeber, was für ein Feigling! Was für ein unbedachter Idiot, der skrupellos Würfel spielt mit der Sicherheit seiner Passagiere!“ Mit starken Worten hatte die Staatsanwaltschaft nicht gegeizt im Prozess gegen Francesco Schettino (54), jenen Kapitän, der im Jänner 2012 sein riesiges Kreuzfahrtschiff, die Costa Concordia, vor der toskanischen Insel Giglio wegen eines unbedachten Manövers auf Grund gesetzt hatte; 32 Menschen ertranken damals.

Nach rund 70 Verhandlungstagen kam im Prozess gegen Schettino am Mittwoch die Zeit für die Urteilsverkündung: Sie war – bestenfalls – für späten Abend erwartet worden, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe.

Umso mehr Worte musste in Grosseto die Verteidigung aufwenden, um ihren Mandanten darzustellen als „demütigen, redlichen Menschen, der im letzten Moment, in einer von anderen Personen verfahrenen Lage, mit sicherem Seemannsinstinkt das Richtige getan hat“. 32 Tote – ja, „aber mehr als 4000 gerettet. Und dafür wollen ihn die Staatsanwälte für 26 Jahre und drei Monate hinter Gitter stecken? Drei, maximal fünf Jahre!“, hieß es. Und: Die Todesfälle hätten mit dem Verhalten Schettinos, der vor den meisten Passagieren das Schiff verlassen hatte, nichts zu tun. Freispruch also von den Anklagepunkten fahrlässige Tötung und vorzeitiges Verlassen des Schiffes.

Auch so mancher Gerichtsbeobachter zweifelt daran, ob der Prozess auf einer richtigen Basis steht. Könnte es nicht sein, dass die Reederei Costa an den Todesfällen mitschuld ist, etwa, weil der Notstromgenerator auf dem Schiff versagt hat und Aufzugschächte durch offen gebliebene Türen zu tödlichen Fallen wurden?

„Alles wegen dieser Frau“

Und wo waren die Offiziere, die am Abend des 13. Jänner 2012 Dienst gehabt haben, um das 300 Meter lange, mehr als 60 Meter aus dem Wasser ragende Schiff sicher zu führen? Wo hatte der Wachhabende, der zweite Offizier Ciro Ambrosio, seine Augen? „Wussten Sie“, hatten Schettinos Verteidiger ihn als Zeugen gefragt, „dass bei Ihrem Kurs der Bug genau auf die Insel zeigte?“ Dem damals 28-Jährigen fiel keine bessere Antwort ein als: „Klar, mit dem Bug fährt man, mit dem Heck legt man an.“ Dennoch blieb Schettino als Einziger auf der Anklagebank, während seine Offiziere mit der Anklage einen Deal machen konnten und mit geringen Bewährungsstrafen davonkamen. Von anderen Ungereimtheiten gar nicht zu sprechen.

Verletzte und Hinterbliebene sehen wenigstens ihre Ansprüche an Schadenersatz „weitgehend befriedigt“, sagte der deutsche Anwalt Hans Reinhardt, der 30 Opfer vertritt. Costa rechnete vor, man habe bisher 2623 von 3206 Passagieren und 964 von 1023 Crewmitgliedern mit insgesamt 84 Millionen Euro entschädigt; in den anderen Fällen sei nur die Höhe der Beträge offen.

Freilich will die Gemeinde Giglio, vor der das Schiff bis zu dessen Bergung im Sommer 2014 herumlag, noch satte 200 Millionen Euro, und eine gewisse Domnica Cemortan klagt auf 200.000 Euro: Das ist die Moldawierin, die als Schettinos Geliebte an Bord war und von ihm für die romantische Inselpassage auf die Brücke mitgenommen wurde: „Ich bin am Boden, nur weil ich dieser Frau einen Gefallen tun wollte“, hatte Schettino kurz nach dem Unglück seiner Reederei telefonisch mitgeteilt. (pk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

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