Haya Molcho: Gegen den Grant

Haya Molcho
Haya Molcho(c) Die Presse (Julia Stix)
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Haya Molcho hat auf dem Naschmarkt ihr optisch aufregendes, küchentechnisch passendes Restaurant Neni eröffnet. Was Wien von Tel Aviv lernen kann, und warum es keine israelische Küche gibt.

Es schaut aus wie in einem Schiffsbauch. Nur dass das Schiff kieloben treibt und man darin gemütlich und gut essen kann. Haya Molcho wirbelt herum, begrüßt Freunde und Stammgäste aus ihrem alten Lokal Tewa und freut sich über ihr neues: „Es sieht großartig aus, nicht? Wie die Arche Noah.“ Stimmt, nur dass dort verschiedene Tier­arten untergebracht waren. Im Neni ist das Wiener Kreativvolk zu Hause.

Auf jeden Fall hat Architektin Eva Beresin ganze Arbeit geleistet und dem Naschmarkt den ungewöhnlichsten Stand beschert. Haya Molcho dirigiert während des Interviews noch schnell ein paar Handwerker und scherzt mit ihrem Sohn, der im Neni mit an Bord ist und am ­Nebentisch mit einer Freundin plaudert. Das Lokal kann man nicht nicht mögen, es sei denn, man ist der grantigste Chefmisanthrop unter allen Naschmarktstandlern oder hat ein prinzipielles Problem mit der Meile. „El ­Arenal für Bobos“, schrieb ein Poster gar. So schlimm wie am ­berüchtigten Strand in Mallorca ist es nicht, sagt ­zumindest Molcho bei der Begrüßung in dem kleinen ­Lokal. Schon bald wird sie auch am Donaukanal nach dem Rechten sehen, dort leitet sie die Bar am Tel Aviv ­Beach, einem Stück „Strand“ anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums von Tel Aviv.

Der Naschmarkt lebt also wirklich noch?

Der Naschmarkt hat sehr viel Potenzial. Man muss sich nur mein Lokal anschauen! Das Deli hat sein Publikum, der Umar, das Drechsler . . . Ich habe mir hier meine Insel geschaffen, wo die Energie stimmt. Das ist fast der letzte Stand auf dem Naschmarkt.

Das ist doch nicht der letzte Stand!

In meiner Reihe schon. Ich bin der letzte Stand hier, ­danach kommen die Mistkübel.

Sie kochen marokkanisch, weil Sie die Küche so schätzen?

Ich liebe Marrakesch, aber die marokkanische Küche ist gar nicht so toll. Sie kochen ihren Couscous, sie kochen ihre Eintöpfe, die Tajines, aber mit sehr wenigen nuancierten Gewürzen. Sie würzen entweder mit Kreuz­kümmel oder sehr scharf.

Aber Pastilla ist doch ein fantastisches Gericht ­(eine Art Blätterteigpastete mit Taube oder Huhn, aber doch auch süß, Anm.).

Das ist sehr viel Arbeit; ich würde liebend gerne Pastilla im Holzofen wärmen, aber das würden die Österreicher nicht essen. Es ist zu süß, es ist die Taube; Taube essen sie nicht. Und es ist nur gut mit Taube. Mit Hühnerfleisch ist es zu trocken.

Stimmt, dann ist es öd.

Aber ich koche ja nicht nur marokkanisch, sondern
auch . . .

. . . israelisch.

Nein, denn es gibt keine israelische Küche, ich habe hier meine eklektische Küche, so isst man in Israel. Israel war früher Palästina. Wir haben Wurzeln aus den arabischen Ländern, Marokko, Libyen, Syrien. Dann kamen die ganzen Auswanderer nach den Weltkriegen: rumänische, russische, polnische. So ist auch das Essen. Ich bin rumänischer Abstammung.

Warum gibt es in Wien eigentlich so wenig koschere Restaurants?

Die koscheren Restaurants liegen versteckt im zweiten Bezirk. Sie haben nicht gelernt, mit Flair beim Publikum zu punkten. Ich könnte hier koscher kochen, und es ­wäre voll. Koscher muss nicht altmodisch heißen, ich biete ­etwa ein koscheres Catering an.

Warum ist es hier nicht koscher?

Ich habe keine koschere Küche, weil ich selber nicht ­orthodox bin. Es gibt bei uns aber kein Schweinefleisch.

Worin besteht der Unterschied zwischen Fusion-Kitchen und Ihrer eklektischen?

In der Fusion-Kitchen gibt es einen riesigen Aufwand bei Dekorationen, das will ich gar nicht.

Wie wird der Tel Aviv Beach am Donaukanal: jünger und wilder?

Das kommt darauf an. Der Tel Aviv Beach soll für junge Leute sein. Wenn wir unseren kleinen Kiosk mit guter Musik machen, werden die Leute das nicht mit Tel Aviv identifizieren. Es muss einfach Urlaubsstimmung geben. Und es soll keine Wiener Schickimicki-Geschichte werden.

Wie kann man das verhindern?

Indem wir Plastikstühle haben, indem wir Sand haben, indem wir eine Bühne aus Holz haben.

Wie in Tel Aviv, das dieser Tage feiert?

Tel Aviv ist die Stadt! Es ist eklektisch! In allem. Das können Sie sich nicht vorstellen. Ich liebe Tel Aviv, denn dort gibt es alles. Dort hat man ein bisschen New York, ein bisschen Marokko, ein bisschen Syrien, ein bisschen ­Paris, man hat dort alles an einem Fleck. Ein Stück will ich hierherbringen, aber ich bin eben immer enthusiastisch.

Obwohl die Wiener oft so grantig sind?


Ja, aber ich nicht. Das habe ich nie gelernt.

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