Wachebeamter vor Gericht: Gefangene vergewaltigt?

Der Angeklagte am Freitag vor Gericht
Der Angeklagte am Freitag vor GerichtAPA/HELMUT FOHRINGER
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Falsche Anklage. Ein Beamter soll seine berufliche Stellung missbraucht haben, dem Gericht erscheint diese Anklage aber zu „milde“.

Der Fall hatte die hitzige Debatte um gravierende Missstände im Strafvollzug angeheizt. Gestern, Freitag, befasste sich nun ein Strafrichter mit der Sache und die brisante Frage lautete: Hat der Wiener Justizwachebeamte P. (40) während seiner Dienstzeit innerhalb der Justizanstalt Wien-Josefstadt mit einer Gefangenen geschlechtliche Handlungen vollzogen und dabei seine Stellung als Autoritätsperson ausgenützt?

Richter Andreas Böhm vom Straflandesgericht Wien konnte und wollte dies als Einzelrichter nicht konkret beurteilen. Und fällte ein Unzuständigkeitsurteil. Er meinte, der Tatbestand könnte gravierender gewesen sein, als der Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien, lautend auf Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (Strafdrohung: bis drei Jahre Haft), vermuten lässt. Der neue Verdacht: Der Beamte könnte die Frau vergewaltigt haben.

Der vom Dienst suspendierte Beschuldigte wies die Anschuldigungen zurück. Sein Verteidiger Michael Vallender sagte: „Keiner dieser Vorwürfe ist wahr.“ Der Richter warnte P. im Hinblick auf den Vergewaltigungsvorwurf und die darauf stehende strengere Strafe, nämlich bis zu zehn Jahre Haft: „Jetzt könnte es um Jahre gehen.“ Und: „Ein Geständnis ist ein wesentlicher Milderungsgrund.“ Der Beamte blieb dabei: „Ich hab' das nicht getan, Herr Rat.“

Das Opfer, eine Frau, die vier Monate Haft verbüßt hatte und dann noch vier Monate lang eine Fußfessel hatte tragen müssen, schilderte im Zeugenstand unter Tränen, dass es 2012 zu zwei sexuellen Angriffen gekommen sei. Der erste könnte nun als sexuelle Nötigung, der zweite als Vergewaltigung zu werten sein. So etwas wie leichte körperliche Gewalt sei gegen sie angewendet worden, viel schlimmer sei aber die Situation an sich gewesen: „Ich war ohnmächtig“, sagte die Frau. Und: „Wenn ich mich wehre, heißt es vielleicht, ich hätte ihn attackiert.“ Jedenfalls habe sich der Mann vor der zweiten Attacke in einem Aufenthaltsraum der Justizwache (nachdem er die Tür von innen zugesperrt habe), völlig entkleidet. Danach sei es zu Geschlechtsverkehr gekommen.

Die Frau hatte innerhalb der Anstalt als Putzfrau gearbeitet (es ist üblich, dass Gefangene in den Haftanstalten einer Beschäftigung nachgehen). Sie habe diese Beschäftigung auch nicht verlieren wollen und habe sich daher gefügig gezeigt: „Als Insassin hat man eigentlich keine Wahl.“

Als Putzfrau im Herren-WC

Die Zeugenaussage offenbarte, dass es wohl im – übrigens chronisch überfüllten – Gefangenenhaus Wien-Josefstadt organisatorisch völlig normal ist, dass weibliche Häftlinge (grundsätzlich ist der Frauentrakt vom Männertrakt getrennt) vom Wachpersonal zum Putzen der Herrentoiletten angefordert werden können. Denn eben diese Tätigkeit hatte die Frau ausgeübt, bevor die Angriffe kamen. Zudem hatte sich P. auch hinsichtlich eines zweiten Opfers wegen Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (Betasten, Küssen) zu verantworten.

Wird nun das Unzuständigkeitsurteil rechtskräftig, muss erneut Anklage bei Gericht eingebracht werden. Mit einem Vergewaltigungsvorwurf und einem Gang vor ein Schöffengericht ist zu rechnen. Prinzipiell kann aber ein Gericht einer Anklagebehörde nicht vorschreiben, welche Punkte eine Anklage umfassen muss.

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