Obama drängt auf EU-Beitritt Ankaras

(c) AP (Pablo Martinez Monsivais)
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Als erstes islamisches Land besuchte der neue US-Präsident die Türkei: eine symbolische Geste für den wichtigsten Partner Washingtons in der Region.

Istanbul/Ankara. „Sie sind in ein Land gekommen, das ein Freund der USA ist, aber in den vergangenen acht Jahren wurde unser Herz gebrochen.“ In roten Lettern begrüßte die auflagenstärkste türkische Zeitung „Hürriyet“ mit diesen Worten Barack Obama. Als der US-Präsident am Montag vor dem Parlament in Ankara sprach, wollte er mit dieser Geste auch den psychologischen Graben überwinden, der sich zwischen den Ländern während der Regierung George W. Bushs aufgetan hat.

Wie ein Damoklesschwert hing über der Reise aber Obamas Wahlversprechen, den Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 anzuerkennen. Der Zeitpunkt, an dem sich Obama äußern sollte, ist der Jahrestag der Deportation der armenischen Intellektuellen aus Istanbul am 24. April.

Bei einer Pressekonferenz darauf angesprochen, meinte Obama, er habe seine Meinung nicht geändert, aber er wolle auch nicht die Gespräche zwischen Armenien und der Türkei stören. In seiner Rede forderte er die Türkei auf, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen: Das Parlament solle über die Ereignisse des Jahres 1915 diskutieren. Schließlich hätten sich auch die USA damit auseinandersetzen müssen, dass es bis Abraham Lincoln Sklaverei in den USA gegeben habe.

Obama sammelt Gutpunkte

„Die USA unterstützen nachdrücklich die Bemühungen der Türkei, Mitglied in der EU zu werden“, sagte Obama, mahnte aber gleichzeitig eine Fortführung der türkischen Reformen an. Schon beim EU-USA-Gipfel hatte er die Aufnahme der Türkei in die EU gefordert, was heftigen Widerspruch vor allem von Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy auslöste. Sarkozy meinte, eine Mehrheit der EU-Staaten sei dagegen, was postwendend von der EU-Kommission zurückgewiesen wurde.

Mit dem Plädoyer für einen EU-Beitritt der Türkei setzt Obama die Politik seines Vorgängers fort. Es gibt ihm zudem die Möglichkeit, in der Türkei auf einfache Weise Gutpunkte zu sammeln – in einem Land, das trotz aller Friktionen der wichtigste Verbündete der USA in der islamischen Welt ist und für Washingtons Friedensbemühungen im Nahen Osten noch nützlich sein kann: So hat Ankara etwa die Gespräche zwischen Syrien und Israel vermittelt und stets einen Gesprächskanal zur radikal-islamischen Hamas offengehalten.

Nicht zu vergessen: Die Türkei grenzt an den Iran. Der US-Präsident wandte sich in Ankara denn auch direkt an Teheran, das er aufforderte, seinen Wunsch nach Atomwaffen aufzugeben. Der Iran habe die Wahl, sich für Frieden und Wohlstand für sein Volk oder für neue Waffen zu entscheiden. Es war keine Drohung, aber auch mehr als eine höfliche Bitte.

Finster blicken die Generäle

Die türkischen Abgeordneten und einige auf der Tribüne anwesende Generäle, die man erst in letzter Minute als Zuhörer geladen hatte, blickten meist aufmerksam und ernst, fast finster drein. Beifall für Obama kam erst auf, als er die Angriffe der kurdischen Untergrundorganisation PKK verurteilte. Noch größer war der Beifall, als Obama sagte, dass er aus einer muslimischen Familie stamme.

Am Abend reiste Obama weiter nach Istanbul. Dort wird er auf ausdrücklichen Wunsch der islamisch-konservativen Regierung von Premier Erdo?an am Forum für eine „Allianz der Zivilisationen“ teilnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2009)

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