Die Feel-Good-Tour des Barack Obama

Der US-Präsident setzt auf Good Vibes. Amerika wird ihn daran messen, was er damit durchsetzen kann.

Die Stimmung war gut, wie schon lange nicht mehr. Und das lag nicht nur an Berlusconis berüchtigten Showeinlagen. „Mister Obama, Mister Obama, it's Silvio Berlusconi“, hatte der italienische Premier dem amerikanischen Präsidenten nach dem gemeinsamen Gruppenfoto zugebrüllt. Und damit sogar der sonst so besonnenen englischen Königin ein „Muss der so schreien?“ entlockt. Dass die Queen sichtlich not amused war, einige andere Gipfelteilnehmer sich doch – mehr oder weniger – über den Fauxpas amüsierten, mag zur Lockerheit am jüngsten G20-Treffen in London beigetragen haben. Hauptverantwortlich für die Good Vibes war aber der Mann, um dessen Aufmerksamkeit Berlusconi so lautstark gebuhlt hatte. Der strahlende Held, in dessen Licht sich all die anderen Politiker bei dem Treffen vor laufenden Kameras sichtlich gerne sonnten: Barack Obama.

Der neue US-Präsident gibt bei seiner Europatour die Rolle des „guten Amerikaners“ wirklich überzeugend. Er stellt sich bei Gruppenfotos in die zweite Reihe. Er hört bei Beratungen intensiv zu. Und er bekannte freimütig beim Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, dass die USA hauptverantwortlich für die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise sind. Etwas, was sein Vorgänger George W. Bush wohl nur schwer über die Lippen gebracht hätte. Spaniens Premier Zapatero, der von Bush wegen Spaniens überstürzten Irak-Abzugs gemobbt worden war, jubelte nach dem EU-USA-Gipfel in Prag bereits über die neue Freundschaft zum neuen Mann im Weißen Haus.

Obamas Nettigkeiten beschränkten sich bei seiner ersten großen Europagipfeltour aber nicht nur auf Atmosphärisches: Beim G20-Treffen gab er sich – wohl oder übel – damit zufrieden, dass die Europäer nicht so große Konjunkturpakete schnüren würden, wie er sich das gewünscht hätte.

Beim anschließenden Nato-Gipfel vermied er jeglichen Druck auf die Verbündeten, ihr militärisches Engagement in Afghanistan maßgeblich zu verstärken. Nicolas Sarkozy bedankte sich sogar auf einer gemeinsamen Pressekonferenz für Obamas Verständnis dafür, dass Frankreichs Afghanistan-Kontingent in nächster Zeit nicht anwachsen werde. Die Nato-Staaten befanden zwar die neue US-Strategie am Hindukusch für gut, versprachen Finanzhilfe für Projekte in Afghanistan und auch zusätzliche Soldaten. Im Vergleich zur geplanten amerikanischen Truppenverstärkung um 21.000 Mann nehmen sich die europäischen Anstrengungen aber mehr als bescheiden aus. Die angeblich internationale Militärmission in Afghanistan wird in Hinkunft noch amerikanischer sein als schon bisher.

Obamas Bescheidenheit, Zurückhaltung und Nachsichtigkeit sind ein klares Zeichen dafür, dass das Verbreiten von Good Vibes ein Hauptziel seines Europabesuchs ist. So gesehen ist seine Feel-Good-Tour bisher ein voller Erfolg. Das seit der Ära Bush in immer grelleren Farben leuchtende Bild des „hässlichen Amerikaners“ beginnt zu verblassen, das Vertrauen der europäischen Partner zum Bruder auf der anderen Seite des großen Teiches scheint wiederhergestellt. Mit seiner neuerlichen Forderung nach einer atomwaffenfreien Welt traf Obama genau den Nerv der europäischen Bevölkerung. Und ein erstes herzliches Treffen mit Russlands Präsidenten Dmitrij Medwedjew reichte aus, damit – nach monatelangem Herbeifürchten eines neuen Kalten Krieges – neue Abrüstungsverhandlungen zwischen Washington und Moskau vereinbart wurden.

Nun versucht Obama, mit versöhnlichen Worten auch noch die Türken für sich zu gewinnen. Eine besonders schwierige Mission, da seit dem US-Einmarsch im Irak 2003 der Antiamerikanismus in der Türkei einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

Gelingt es Obama, das zerschlagene Porzellan zwischen den USA und dem Rest der Welt zu kitten, hat er gute Voraussetzungen für die Bewältigung internationaler Probleme geschaffen. Doch reichen wird das nicht. Vor allem in Amerika wird man ihn daran messen, ob die neuen Sympathiewerte der USA auch der Durchsetzung amerikanischer Interessen dienen. Auf dem Nato-Gipfel musste sich Obama schon von US-Journalisten fragen lassen, ob sich die Europäer mit ihren bescheidenen Zusagen für Afghanistan nicht davongestohlen hätten. Und von Moskau über Westeuropa bis Teheran und Nahost werden wohl noch einige testen, wann der außenpolitisch so geduldige Obama seine Geduld verliert. Nordkoreas Raketenversuch war erst der Anfang.


wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2009)

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