Spitalsinfektionen durch Ärztehand

Ein Hauptgrund für Krankenhaus-Infektionen ist fehlende Handhygiene bei Ärzten und Pflegern. In Österreich dürfte es jährlich 55.000 solcher Infektionen geben.

Fragen Sie Ihren Arzt, ob er sich die Hände gewaschen hat, bevor er Sie untersucht? Tut wohl kaum ein Spitalspatient, wäre aber so unsinnig nicht, denn: Mangelnde Handhygiene des medizinischen und pflegerischen Personals ist eine der Hauptursachen von im Krankenhaus erworbenen Infektionen, im Fachjargon nosokomiale Infektionen genannt.

Internationalen Publikationen zufolge wird regelmäßige Handhygiene (Händewaschen, Händedesinfektion) von weniger als 50 Prozent des Krankenhauspersonals eingehalten. „In manchen Spitälern tun es gar nur 30 Prozent des Personals, im allerbesten Fall tun es 70 Prozent“, betonte Univ.-Prof. Dr. Agnes Wechsler-Fördös, Hygienebeauftragte an der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung, bei der letzten Fortbildungswoche der österreichischen Apothekerkammer. „Die wichtigsten Keimüberträger aber sind die Hände des Personals.“

240 bis 4800 Todesfälle

An wie vielen der geschätzten 55.000 Krankenhaus-Infektionen jährlich in Österreich dieser konkrete Hygienemissstand schuld ist, ist nicht bekannt. Sicher ist: Menschen sterben auch daran. „Laut Hochrechnungen kann man im Jahr von mindestens 240 bis maximal 4800 Todesfällen ausgehen“, erwähnt Wechsler-Fördös. „Mangelnde Hygiene führt im Jahr sicher zu einigen hundert unnötigen septischen Todesfällen“, wird Univ.-Prof. Dr. Norbert Pateisky, Leiter der Abteilung Klinisches Risikomanagement an der Wiener Universitätsklinik für Frauenheilkunde, etwas konkreter.

Maßnahmen nicht eingehalten

Eine Studie mit zentralen Venenkathetern, so Pateisky, konnte nachweisen: Bei strikter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen lässt sich die Zahl der Katheterinfektionen um 66 Prozent reduzieren. „Die Maßnahmen werden aber offensichtlich nicht eingehalten.“ Warum? „Das macht niemand absichtlich, das passiert im Routinebetrieb, das passiert in der Hektik.“ Freilich gibt es auch nosokomiale Infektionen, die unvermeidbar sind. Stark angestiegen sind in den Spitälern in den letzten Jahren jedenfalls Infektionen mit dem heimtückischen Keim Clostridium difficile. „Gefördert wird das auch durch die breite Verwendung von Protonenpumpenhemmern“, so Wechsler-Fördös. „Dadurch wird das saure Milieu im Magen zerstört und das Wachstum von Clostridium difficile begünstigt.“ Dieser Keim verursacht lästige Durchfälle bis lebensbedrohliche Infektionen.

Gefährlich werden Infektionen vor allem für Intensivpatienten und Patienten, deren Abwehrkräfte durch sogenannte Immunsuppressiva stark geschwächt werden. Ein Beispiel ist der Keim Staphylococcus aureus. Ein Drittel der Bevölkerung hat ihn in der Nase. „Das ist harmlos so lange, bis der Mensch erkrankt oder operiert wird, dann kann das Bakterium schwerste Infektionen bis zum Tod hervorrufen.“ Aber auch gegen Staphylococcus aureus ist ein Kraut gewachsen. Eine korrekt durchgeführte Antibiotika-Prophylaxe vor einer Operation kann Infektions- und Todesrisiko signifikant senken.

Zahlreiche Harnwegsinfektionen passieren beim Setzen oder Entfernen eines Harnwegskatheters. „Im Grunde sind wir dagegen machtlos“, sagt Wechsler-Fördös. Daher plädiert sie: „Wenn nicht unbedingt notwendig, besser keinen Katheter setzen.“ Kleidung kann auch „ansteckend“ sein: Ein Fünftel der Kleidung des Spitalpersonals ist mit Keimen kontaminiert. „Ich würde mir wünschen, dass Bakterien Flecken machen.“

Auch Endoskope sind immer wieder Quell von Infektionen. Wechsler-Fördös kann da Schauergeschichten erzählen. Eine davon (hat sich nicht in Österreich zugetragen): Ein Ehepaar ist in einem Spital bei einer Kolonoskopie inklusive Biopsie mit HepatitisC infiziert worden. Grund: Der erste Patient, an dem an diesem Tag in besagtem Institut eine Darmspiegelung vorgenommen worden ist, hatte Hepatitis C. Die medizinischen Geräte wurden dann nur in Desinfektionsmittel gelegt und nicht ordnungsgemäß gereinigt. Der Nächste, bitte – der hatte dann halt Hepatitis C. Und dessen Frau, die übernächste Patientin, auch!

Beunruhigend: Das könnte unter Umständen auch in Österreich passieren. Hier wurde aber bereits im April 2001 das Projekt „Organisation und Strategie der Krankenhaushygiene“ (ProHyg) auf ministerieller Ebene ins Leben gerufen, entsprechende Leitlinien wurden herausgegeben.

Noch immer mangelhaft

Im Hygiene-Monitor 2008 heißt es: „Alles in allem zeigte sich eine leicht positive Entwicklung der letzten fünf Jahre: Die Situation der Hygieneteams dürfte sich verbessert haben, die Umsetzung der in ProHyg formulierten Zielvorgaben ist – insbesondere im ärztlichen Bereich– noch mangelhaft.“ „Besserung ist aber in Sicht“, beteuert Wechsler-Fördös und meint: „Unter optimalen Bedingungen kann die Rate der nosokomialen Infektion um ein Drittel reduziert werden.“

auf einen blick

55.000 Krankenhaus-Infektionen gibt es schätzungsweise jedes Jahr in Österreich – 240 bis 4800 Menschen sterben daran.

Der wichtigste Keimüberträger sind die Hände des Spitalspersonals. Da besteht dringender Bedarf an vermehrter Handhygiene.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2009)

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