Reiseleiterin am Kontinent der Langlebigkeit

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Die Journalistin Nora Aschacher rät ihrer Generation, sich früh eine Aufgabe und ein Netz für die Pension zu suchen. Die Jahrzehnte des Ruhestandes sollen gestaltet und "nicht bloß verlebt" werden.

Nora Aschacher ist nicht leicht zu erreichen. Einmal erwischt man sie und hört im Hintergrund das Enkelkind fröhlich quietschen, beim nächsten Mal sitzt sie im Zug – dafür beantwortet sie noch um Mitternacht E-Mails. Nora Aschacher ist 68, seit 2006 in Pension und deshalb weder unglücklich noch untätig. Die ehemalige ORF-Journalistin, die einst für die legendäre Ö3-„Musicbox“ und später für die Ö1-Sendereihen „Nova“ (mittlerweile eingestellt) und „Radiokolleg“ zuständig war, hat eher zu viel als zu wenig zu tun.

Als sie selbst, wie sie sagt, im „Niemandsland des Ruhestandes“ landete, begann sie – immer noch Journalistin durch und durch – sich mit verschiedenen Formen des Altwerdens auseinanderzusetzen und hat nun ein Buch darüber geschrieben. Sie glaubt, dass ihre Generation auf gewisse Weise eine Pionierstellung „auf diesem Kontinent der Langlebigkeit“ hat. Die Elterngeneration, die meist noch einen Krieg erlebte, hatte ein anderes Lebensgefühl im Alter. „Wer als Kind fror, war im Alter mit einem Pensionistenklub, Kartenspielen und reichlich Kaffee und Kuchen schon zufrieden.“ Den meisten der nun heranwachsenden Alten sei das aber zu wenig. Daher gehe es nun stärker darum herauszufinden, wie man in der Pension (oder schon in der Altersteilzeit) nach dem Auszug der Kinder oder dem Verlust des Partners seine Zeit nicht nur sinnvoll nutzen, sondern sich auch selbst nützlich machen kann. Dazu gehört auch das Nachdenken über neue Wohnformen. Denn helfen und für andere da sein kann man besser bei räumlicher Nähe. Doch es fällt auf, dass der freudvoll-lustige Umgang mit dem Alter, hippiemäßige Alterswohngemeinschaften oder Kommunen wie jene des ehemaligen Bremer Bürgermeisters Henning Scherf in Deutschland viel verbreiteter sind als in Österreich. Hierzulande beginnt sich erst jetzt in diesem Bereich einiges zu tun.

Altersbilder verändern

Nora Aschacher selbst hat viele Ideen für einen sinnvollen Zeitvertreib. Schon vor Jahren erfand sie mit einer Ö1-Kollegin den Verein Alterskulturen, der vor allem Vortragsreihen organisierte, in denen es auch darum ging, stereotype Altersbilder aufzubrechen. 2008 gründete sie schließlich die Age Company, eine Tanzgruppe für Menschen über 55. Eine professionelle Choreografin, die in Berlin lebende Schweizerin Nicole Bernd, wurde engagiert und dann wurde geprobt und getanzt und geprobt. Heute hat die Tanzgruppe 13 Mitglieder, gerade wird an der fünften Performance gearbeitet, die man wie die früheren natürlich vor Publikum aufführt.

Das typische Altersbild des Kaffee-und-Kuchen-Pensionisten würde sich zwar gerade langsam verändern, sagt Aschacher. Dennoch hat sie den Eindruck, die Gesellschaft sieht die Alten nur in zwei Extremen: auf der einen Seite die Alten als Last, pensionsabgesichert, aber pflegebedürftig. Auf der anderen Seite das jüngst aufkommende Gegenmodell vom Altern als reine Lust. „Man könnte den Eindruck bekommen, es gibt nichts Schöneres, als sich auf Kreuzfahrtschiffen zu tummeln, jeden Tag zum Heurigen zu gehen und ein Genussleben zu führen, in dem man für nichts und niemanden Verantwortung übernimmt, nicht einmal für die eigene Entwicklung“, sagt Aschacher. Für diesen konsumorientierten Lebensstil braucht es aber auch einen ordentlichen finanziellen Polster, den nicht jeder hat.

Altern heißt vorsorgen

Egal, wie man im Alter leben möchte, die Journalistin appelliert in ihrem Buch „Bald alt? Na und!“ sich früh genug eine Aufgabe oder sinnvolle Beschäftigung zu suchen. Sie erzählt von 82-jährigen Frauen, die mit 60 einen Karatekurs begannen, sich zur Visagistin ausbilden ließen und große Reise machen. Oder von 73-jährigen Männern, die bei der Vorbereitung von Ausstellungen in Museen helfen oder täglich mit dem Hund der berufstätigen Nachbarn lange Spaziergänge machen.

Einen besonderen Rat gibt Aschacher an Menschen über 55: Sie sollten ein bis zwei Jahre (Experten sprechen sogar von fünf bis zehn Jahren) vor dem Ablaufdatum im Arbeitsleben dafür sorgen, dass sie sich außerhalb des beruflichen Umfelds ein soziales Netz aufbauen und Interessen stärken. „Denn irgendwann ist die Wohnung neu ausgemalt, das Eigenheim renoviert, sind alle Bücher vom Nachtisch ausgelesen, wurden sämtliche Bekannte besucht.“ Altern heißt vorsorgen – nicht nur in finanziellen Dingen.

Zur Person

Nora Aschacher, geboren 1946, studierte Publizistik und Kunstgeschichte, arbeitete als ORF-Redakteurin u.a. für die Ö3-„Musicbox“ und das Ö1-„Radiokolleg“.

Nach ihrer Pensionierung gründete sie die Age Company, eine Tanzgruppe mit Menschen über 55.

www.agecompany.at

Buch. Soeben erschien ihr Buch „Bald alt? Na und!“ (Edition a, 172 Seiten)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2015)

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