„Ich will weg von hier und ein sinnvolles Leben führen“

NIGERIA FLOATING SCHOOL
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In den Slums von Lagos kämpfen unzählige Menschen ums Überleben. Einer davon ist George Vincent Ifeanyi, der 2011 aus Österreich abgeschoben worden ist.

Es ist eine gigantische Stadt mit zehn Millionen Einwohnern. Die Megacity Lagos im Herzen Nigerias ist eine pulsierende Wirtschaftsmetropole – und zugleich ein Moloch, der viele seiner Einwohner zu verschlingen droht. Denn in den Slums der Stadt kämpfen unzählige Menschen ums tägliche Überleben. Einer von ihnen ist George Vincent Ifeanyi. Der 35-Jährige ist vor vier Jahren in den Armenvierteln von Lagos gestrandet. „Ich lebe hier von der Hand in den Mund. Ich habe kein Geld und bitte die Menschen um etwas Essen. Mein Leben hat hier keinen Sinn mehr“, erzählt er im Telefongespräch mit der „Presse“.

Mit Wehmut erinnert sich George Vincent zurück an seine Zeit in Österreich. Auf der Suche nach einem besseren Leben hatte er sich nach Libyen und dann nach Italien durchgeschlagen. Von dort gelangte er nach Österreich. Drei Jahre lang lebte er hier. Dann wurde er abgeschoben.

Nach wie vor hat George Vincent Probleme mit seinem Bein – wegen der Verletzungen, die er sich in Österreich zugezogen hat. Am 12. Juni 2008 brach in dem Flüchtlingsheim in Klagenfurt, in dem der Nigerianer wohnte, ein Brand aus. Um sich vor den Flammen zu retten, sprangen viele der Flüchtlinge aus den Fenstern. Ein Mann kam ums Leben, 19 weitere Personen wurden verletzt. George Vincent brach sich dabei sein Bein und mehrere Rippen.

„Ich habe nach wie vor Schmerzen“, erzählt der 35-Jährige. Arbeit gibt es in den Armenvierteln von Lagos nur für junge Männer, die hundertprozentig fit sind, also nicht für George Vincent. Und eine ordentliche Nachbehandlung der Verletzungen kostet Geld – Geld, das er nicht hat.

Die Hintergründe des Brandes im Klagenfurter Flüchtlingsheim blieben lang im Dunkeln. Staatsanwalt Christof Pollak ging von einem Brandanschlag aus. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger sprach von Hinweisen auf Brandbeschleuniger. Der Flüchtlingsreferent der Kärntner Landesregierung und der Betreiber des Asylwerberheims mussten sich schließlich vor Gericht wegen Gemeingefährdung verantworten, wurden aber freigesprochen. George Vincent hat trotz seiner Verletzungen in Österreich „seinen Frieden gefunden“, wie er sagt. Er verkaufte Straßenzeitungen und achtete streng darauf, nicht straffällig zu werden. Doch sein Antrag auf Asyl hatte keine Chance. Und auch ein Antrag auf humanitäres Bleiberecht wegen des Vorfalls in Klagenfurt wurde abgelehnt. Ende Jänner 2011 wurde George Vincent nach Nigeria abgeschoben.

„Ich war damals so glücklich“

Ohne Geld und Habseligkeiten strandete er erst in Ajegunle, einem der gefährlichsten Viertel von Lagos. Mittlerweile lebt er im Viertel Ikotun, bei einem Mann, der ihm vorübergehend Unterschlupf gewährt hat. „Das sind hier Ghettos. Hier kann einem jederzeit etwas zustoßen“, erzählt er. „Ich will weg von hier und ein sinnvolles Leben führen.“ George Vincent hofft auf Hilfe, darauf, dass ihm jemand einen Job organisiert, die Behandlungskosten für sein in Klagenfurt verletztes Bein übernimmt. Schadenersatz aus Österreich hat er nie erhalten. Und er träumt noch heute davon, irgendwann nach Österreich zurückkehren zu können. „Ich hatte dort viele Freunde. Ich war damals so glücklich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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