Servitenviertel: Der kleine Untergang des Abendlandes

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Serviten verlassen das Servitenviertel: Schlimm, sagen die Katholiken. Na und, die anderen. Doch die Bürger-Initiative hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Was bleibt vom Servitenviertel, wenn man die Serviten wegnimmt? Wenig, sagen manche Anrainer. Einfach das Servitenviertel, viele andere.

Die Initiative „Pro Serviten Rossau“ befürchtet den Untergang des Abendlands im neunten Bezirk und hat in den vergangenen Tagen 1200 Unterschriften gesammelt, damit die vier Ordensbrüder weiter in ihrem Kloster bleiben können – eine respektable Leistung, fast jeder Fünfte der 6300 Katholiken, die in der Pfarre Rossau leben, hat unterschrieben. Genützt hat das wenig: Am Dienstag beschloss das Provinzkonsilium des Ordens, den seit 370 Jahren in der Rossau ansässigen Konvent mit 31.August aufzugeben. Begründung: Der Standort sei erstens nicht mehr finanzierbar und kranke zweitens an Personalmangel.

Warum der Furor nun durch die lebendige katholische Gemeinde am Alsergrund schwappt, hat damit zu tun, dass die Pfarre an ihren Brüdern hängt. Kommt es nun zum Abzug, müsste die Erzdiözese Ersatz von auswärts holen.

Letzte Hoffnung Rom

Doch die Bürgerinitiative hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Sie versucht nun, beim Generalprior Angel M. Ruiz Garnica in Rom für den Weiterverbleib „ihrer“ Mönche zu intervenieren. Auch Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn wurde informiert. Die Erfolgsaussichten sind aber gering.

Die Pfarre hofft nun, mithilfe des ebenfalls von den Serviten betriebenen Studentenheims wenigstens die finanziellen Bedenken des Ordens zu zerstreuen. Derzeit wird darüber nachgedacht, das Heim in Form einer Kooperation mit einem professionellen Betreiber zu kommerzialisieren.

Freilich sieht nicht jeder dem drohenden Ende des Konvents mit denselben Ängsten entgegen wie die, die die Unterschriftenaktion für den Verbleib der Serviten gestartet haben. Erhard Eisenbock etwa, der Chef des „Servitenstüberls“, eines der traditionelleren Lokale des Grätzels, zuckt mit den Schultern: „Was soll sich dadurch schon groß ändern?“

Ein Kloster? Hier?

Die Initiative, die auf einem kleinen Tisch neben der Kirchentüre noch immer um weitere Unterschriften wirbt, kann der Wirt zwar verstehen, aber „das sind vor allem ältere Leute, die sich halt an die Patres gewöhnt haben“. Seinen Charakter werde das ohnehin in die Jahre gekommene „Szeneviertel“ auch ohne den Konvent behalten: „Oder glauben Sie, dass jetzt auf einmal die Servitengasse umbenannt wird?“, fragt Eisenbock.

Auch in den jüngeren Lokalen um das Kloster hält sich die Trauer über den Exodus der Mönche in Grenzen. In der einräumigen „Suppenküche“, gleich über die Straße vom Servitenplatz, hat Verkäuferin Barbara Eger noch nie davon gehört, dass es hier überhaupt ein Kloster gibt. Auch im mit dem Ordensnamen kokettierenden Restaurant „Serviette“ zeigen sich die Kellner überrascht, dass es nach wie vor Mönche in der Gegend gibt – den Namen des Lokals hätten sie eher mit dem der Gasse assoziiert als mit Klosterbrüdern. Dass das Viertel durch deren Abwanderung an Strahlkraft verlieren könnte, glauben auch sie nicht – die Lokalszene sei von dem spirituellen Zentrum, der Servitenkirche, unabhängig.

„Ah, da sind Mönche?“, fragt sich auch Stefan Dür – und das, obwohl der 19-Jährige gerade im Schatten der Bäume vor der Servitenkirche seine Mittagspause genießt. Er wohne zwar im Bezirk, aber mit den Klosterbrüdern habe er nie viel zu tun gehabt. „Schade“ wäre es aber schon, wenn das Kloster geschlossen werde, entscheidet der Zivildiener spontan, deutet in Richtung des Tisches mit den Unterschriftenlisten am Kirchenportal und fordert einen Kollegen auf: „Da unterschreiben wir nachher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.