Das langsame Ende des letzten Raucherparadieses

Das völlige, aber verschobene Rauchverbot sagt viel über Österreichs Politik aus: Angst vor der eigenen Partei ist der eigentliche Antrieb dieser Regierung.

Während im letzten wahren Raucherparadies die Weltpolitik der Herren Obama und Castro eventuell mit dem passenden Genussmittel inszeniert und die historische Annäherung gefeiert wird, beweist Österreich Mut zur Provinz. Nach jahrelanger absurder Diskussion und Schildbürger-Zwischenlösung wird nun also ein völliges Rauchverbot beschlossen. So wie in vielen europäischen Ländern. Nur viel später.

Ein Verbot kann man – auch je nach eigenem Rauchkonsum – gut oder schlecht finden. Man kann das Thema natürlich auch als Gradmesser des Liberalismus sehen. Nur: In einem völlig durch und durch reglementierten Land, in dem Anhänger eines angelsächsischen Freihandels und einer Schweizer Steuerpolitik schnell als gemeingefährliche Neoliberale geächtet werden, wirkt es einigermaßen absurd, ausgerechnet die Gesundheitspolitik – und um nichts anderes geht es beim Thema Rauchen – zum Entscheidungsschlachtfeld für den Freiheitskampf zu erklären. Im Land der Magistrate, Gewerbeordner und regionalen Vorschriftsräte – mit „Gemeinde“ haben sie oft nichts zu tun – sollten wir derartige Ablenkungsmanöverdebatten nicht führen, wir sollten stattdessen eher über Staats- und Steuerquote diskutieren.

Aber wir müssen kurz über die Vorgeschichte und Hintergründe dieses Rauchverbots reden. Vieles, was da passiert ist, belegt das eigentliche politische Problem des Landes: Das beginnt beim eben verkündeten Rauchverbot. Das soll nämlich erst 2018 in Kraft treten. Für die in Landtagswahlperioden denkenden Regierungsmitglieder entspricht das einer ganzen Ewigkeit. Die alte politische Regel, harte, auch unpopuläre Entscheidungen sofort und konsequent umzusetzen, ist dieser Regierung völlig fremd. Immerhin muss sie die betroffenen Lokalbetreiber besänftigen. (Was nicht gelingen wird.)

Deren Zorn ist nämlich zu Recht enorm: Sie mussten vor wenigen Jahren erhebliche Kosten übernehmen, um dem europaweit absurdesten Rauchergesetz zu entsprechen. Räumliche Trennung ab einer gewissen Größe musste baulich gewährleistet werden, wobei Rauchen nur in jenem Raum, in dem nicht das eigentliche betriebliche Leben stattfindet, erlaubt war. Jeder Kommentator warnte damals davor, dass dies nur ein sinnloser Zwischenschritt zu einem völligen Rauchverbot sein könnte. Schrieb, dass diese Regelung nicht halten würde. Den damals zuständigen Ministern – wir erinnern uns: unter anderen Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) – war das egal, sie haften nicht. Die Lobbys hatten einander so lange bekriegt, bis beide Seiten nachgeben mussten. Besonders unterhaltsam war das häufig zu hörende Argument: Brüssel würde nur bald ein totales Rauchverbot erlassen, Österreich müsse ohnehin nachziehen. Das entspricht der EU-Politik in Wien: Wir überlassen die unpopulären Entscheidungen Brüssel, dann können wir die Regelwut kritisieren. Nun gibt es eben eine Übergangsphase, eine absurde österreichische Lösung.

Natürlich gibt es auch hier einen ÖVP-Konflikt im Hintergrund: Die stolzen Gastronomen sind nur eine laute Gruppe der von der ÖVP zutiefst enttäuschten Unternehmer. Reinhold Mitterlehner, der erfrischend häufig Meinungen – eben auch beim Rauchen – formuliert, die nicht allen seiner Partei gefallen, musste für seine Heimat, den frustrierten Wirtschaftsflügel, etwas erreichen. In den vergangenen Wochen seit Verkündigung der Steuersenkung für viele und der Steuererhöhung für nicht wenige ist in der ÖVP passiert, was in der SPÖ nie passiert: Bestimmte Interessengruppen traten vehement gegen die Parteispitze auf. Die neuen Registrierkassen und der Steuerhinterziehung-Generalverdacht haben die Wirtschaftskammer nachhaltig verstimmt. Das Verhindern von Erbschafts- und neuen Vermögensteuern ist – nicht ganz zu Recht – schon wieder vergessen.

Kanzler Werner Faymann kennt die Struktur seines Koalitionspartners und zündet bereits das nächste Thema an. Gemeinsam mit Finanzminister Hans Jörg Schelling richtet er der Lehrergewerkschaft aus, zwei Stunden pro Monat mehr zu unterrichten. (Was prinzipiell auch diskussionswürdig ist.) Das wird in der ÖVP wieder für Streit und Unruhe sorgen. Und genau das ist Faymann wichtiger als irgendwelche Steuerreformen, Entscheidungen – oder ein Rauchverbot.

Das in Kuba übrigens mit der Annäherung an die USA näherrückt. Bisher setzte man auf der kommunistischen Insel auf ein Modell wie in Österreich.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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