Nigeria: Zur Heirat gezwungen

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Vor einem Jahr entführte die nigerianische Terrorgruppe Boko Haram mehr als 200 Schulmädchen. Eine Ex-Geisel gab nun Einblick.

Abuja. Liatu Andrawus legte Zeugnis ab, zusammengekauert auf einer Holzbank, in einem Dorf am Rande der Hauptstadt Abuja. Die 23-Jährige hatte sich ein halbes Jahr in der Gewalt der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram befunden, bis ihr die Flucht ins Nachbarland Kamerun gelang. Die Rebellen hatten ihr den Namen Aisha gegeben, sie gezwungen, das Kopftuch zu tragen und aus dem Koran vorzulesen. „Sie forderten mich auf, zum Islam zu konvertieren. Sie fragten mich, welche Art von Tod ich vorzöge: erschossen oder mit einem Messer abgeschlachtet zu werden.“

Ein Jahr nach der aufsehenerregenden Entführung von 276 Schulmädchen aus einem Wohnheim der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias legte erstmals eine der jungen Frauen Zeugnis über das Schicksal ihrer Gefährtinnen ab. Sie habe die Mädchen in einer Islamschule in Gwoza getroffen, wo sie monatelang indoktriniert worden seien.

„Sie sahen sehr ausgemergelt aus“, erinnert sie sich. Die meisten seien zur Heirat und zum Übertritt zum Islam gezwungen worden. „Die Gebete wurden von bewaffneten Männern überwacht. Wenn wir Fehler machten, schlugen sie uns mit Gummigürteln“, erzählt Andrawus. „Wir weinten, umarmten einander und beteten heimlich christliche Gebete.“ Von den Mädchen fehlt nach wie vor jede Spur. Andrawus vermutet, dass die Milizen sie nach der Einnahme Gwozas durch Regierungstruppen ins Mandera-Gebirge verschleppt hätten.

Nach der Ablöse des Präsidenten Jonathan durch den neu gewählten Präsidenten Buhari wollen die Aktivisten der Kampagne „Bring Back Our Girls“ und tausende Schulmädchen zum Jahrestag der Entführung bei Gottesdiensten und Gehmarathons ein Zeichen setzen. „Das Schweigen zum Schicksal der Mädchen ist ohrenbetäubend“, sagt eine der Initiatorinnen. (DPA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2015)

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